Zum Wohl des Arztes

Seit Jahresbeginn müssen die Versicherten deutlich tiefer für ihre gesetzliche Krankenkasse in die Tasche greifen. Nicht nur, dass sich der allgemeine Beitragssatz spürbar erhöhte.

Auch den individuellen Zusatzbeiträgen sind praktisch keine Grenzen mehr gesetzt.
Nun soll endlich der Kassenpatient im Mittelpunkt stehen. Das verspricht die Bundesregierung mit dem neuen Versorgungsstrukturgesetz. Allerdings reibt man sich die Augen, denn in erster Linie geht es darin um das Wohl des Arztes.
Mit der starken Zentralisierung der ärztlichen Vergütung, wie sie von seiner Vor-Vorgängerin Ulla Schmidt ersonnen wurde, hat FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr radikal gebrochen. Künftig sollen die Honorare auf regionaler Ebene ausgehandelt werden. Das dürfte die von vielen Ärzten beklagten Einkommensunterschiede noch weiter verfestigen. Und der Versicherte wird die Regionalisierung im Zweifel über höhere Zusatzbeiträge bezahlen müssen. Auch tut Bahr so, als gebe es tatsächlich einen Mangel an Ärzten und als sei ihre ungleiche Verteilung nicht das wirkliche Problem.
Seit 1990 ist die Zahl der ambulanten Mediziner um die Hälfte gestiegen. Und das bei einer zahlenmäßig leicht geschrumpften Bevölkerung. So vernünftig es ist, mehr Ärzte mit finanziellen Vergünstigungen in unterversorgte Gebiete zu locken, so unsinnig ist es, für Mediziner in überversorgten Regionen praktisch alles beim Alten zu lassen. Das Top-Einkommen des Hausarztes am Starnberger See - dort herrscht die höchste Praxisdichte Deutschlands - bleibt also weiter gesichert.
Von Honorarabschlägen in überversorgten Regionen will Bahr nichts wissen. Eine entsprechende Regelung aus den Ministerzeiten von Ulla Schmidt wird endgültig gestrichen. Hier lauert ebenfalls ein Kostentreiber erster Güte.
Das befürchtet übrigens auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Deshalb hat er durchgesetzt, die Steuerzuschüsse für den Sozialausgleich zu kappen, sobald das Förderprogramm für Landärzte einen bestimmten Kostenrahmen übersteigt und keine Einsparungen an anderer Stelle zustande kommen. Die Förderkosten für die Ärzte und die Hilfen für Geringverdiener werden so auf geradezu skandalöse Weise miteinander verkoppelt.
Hinter der schönen Absicht einer besseren Patientenversorgung verbergen sich also viele Fragezeichen und Fragwürdigkeiten.
Dass sich die Ärzte nun in Scharen für strukturschwache Regionen begeistern, ist bei all dem kaum zu erwarten. Neben der Vergütung spielen nämlich auch noch andere Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel, wie die Familie des Arztes damit klarkommt. Das kann kein Gesetz regeln. Nur eines ist jetzt schon klar: Dank FDP geht es dem Arzt künftig (noch) besser - und den Beitragszahlern schlechter.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort