Zwang zur Vernunft

Die Protestwahl der Griechen, die wieder aufflammende Staatsgläubigkeit der Franzosen und die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag bei der Abstimmung über den Fiskalpakt - all das zwingt Angela Merkel und wahrscheinlich die gesamte EU nun zu erheblichen Kurskorrekturen bei der Euro-Rettung. Gut, dass es die Demokratie gibt in Europa.


Nicht dass die Kanzlerin alles falsch gemacht hätte. Sie hat mit den von ihr ausgehandelten Rettungspaketen dafür gesorgt, dass Zeit gewonnen wurde. Und sie hat mit den Vorgaben für Strukturreformen und Sparprogramme in den Krisenstaaten Akzeptanz für die Rettungspakete in den Zahlerländern geschaffen. Fakt aber ist, dass alle bisherigen Maßnahmen die Krise nicht substanziell gelöst, sondern nur verschärft haben.
Freilich, SPD und Grüne, die nun so tun, als hätten sie immer schon alles gewusst, machten in Wahrheit ebenfalls Fehler. Man denke nur an die Ablehnung des ersten Griechenland-Paketes oder den zeitweise ausgebrochenen Jubel für die Euro-Bonds. Schwamm drüber. Wichtig ist jetzt, dass Regierung und Opposition aufeinander zurobben. Europa steht am Abgrund. Schon nach der Griechenlandwahl am Sonntag kann sich die Situation drastisch verschärfen.
Die Krise erzeugt einen neuen Blick auf den Kontinent. Nun sehen wir massive Leistungsunterschiede zwischen Nord und Süd, krasse innergesellschaftliche Klüfte, bedenkliche Schieflagen in der ökonomischen Struktur einzelner Staaten und der Gemeinschaft insgesamt, mangelnde soziale und Steuergerechtigkeit.
Was wir sehen, ist ein krankes Europa. Staatsschulden allein haben die Krise nicht verursacht. Wer das Heil allein beim Sparen sucht, verschärft die Situation daher nur.
Das Gegenmodell lautet: Die Finanzmärkte an den Kosten der Krise beteiligen und ihr Treiben überhaupt eingrenzen, Strukturreformen in den schwachen Ländern einleiten, Wachstums- und Sozialprogramme auflegen, die diese Reformen begleiten, gemeinsame Entscheidungsstrukturen in Europa schaffen. Das sind die Schritte, die neben einer soliden Fiskalpolitik nun absolut gleichrangig kommen müssen. Völlig schief liegen allerdings jene Linkssozialisten in Deutschland und anderswo, die den Fiskalpakt generell ablehnen, weil sie weiter Schulden machen wollen.

Es geht darum, Europa nach der Krise stärker sein zu lassen als vorher. Der Sache wegen, weil es dauerhaften Wohlstand für den Kontinent nur in einem Zustand sozialer und ökonomischer Balance geben kann. Die Demokratie zwingt zur Vernunft. Hoffentlich.

nachrichten.red@volksfreund.de

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