Meinung Zwischen Hoffen und Bangen

Berlin · Die Union ist so abhängig wie selten von der SPD.

 Hagen Strauß

Hagen Strauß

Foto: k r o h n f o t o .de

Im Moment schaut alles auf die Genossen. Doch deswegen darf man die Union nicht aus dem Blick verlieren. Denn die Verwerfungen, die nach einem Nein des SPD-Parteitages am kommenden Sonntag zu Groko-Verhandlungen eintreten würden, betreffen in erheblichem Maße ebenso die CDU. Für sie steht ähnlich viel auf dem Spiel wie für die SPD. Nur möchte bei den Unionsparteien darüber lieber keiner reden.

Inhaltlich ist das Sondierungsergebnis stark CSU- und SPD-lastig. Auch wenn die Sozialdemokraten derzeit alles dafür tun, einen anderen Eindruck zu erwecken. Die CDU hat sich bei den Sondierungen vor allem mit dem Anspruch begnügt, Angela Merkel die Kanzlerschaft zu retten. Und das ist genau der Punkt, weshalb sie in der Union mit Hoffen und Bangen auf den SPD-Parteitag blicken. Zerplatzt dort der Groko-Traum, könnte in der Folge auch ein innerparteiliches Beben die Union erschüttern. Jedenfalls ist sie wohl noch nie so abhängig von der SPD gewesen wie in der jetzigen Phase. Es bleibt den Christdemokraten nur, an die Genossen wohlwollend zu appellieren. Riskant ist hingegen, die SPD gehörig zu provozieren, wie dies mal wieder aus den Reihen der CSU geschieht.

Eine vermasselte Bundestagswahl, zwei gescheiterte Regierungsbildungen, egal, ob andere Parteien ursächlich dafür verantwortlich sind, unweigerlich würde sich nach einem Groko-Nein dann auch die Führungsfrage bei der C-Partei stellen. Nicht nur SPD-Mann Martin Schulz wäre krachend gescheitert, sondern auch Angela Merkel. Sie hätte es dann erneut nicht geschafft, eine tragfähige Basis für ihre vierte Kanzlerschaft zu legen. Eine Leitlinie, eine Idee, wohin Merkel das Land in den nächsten vier Jahren steuern will, sucht man bei ihr ohnehin vergebens. Mit ihr wäre dann jedoch kaum noch ein überzeugender Aufschlag bei möglichen Neuwahlen zu machen. Und eine Minderheitsregierung will die Noch-Kanzlerin ja nicht. Außerdem sind die Beliebtheitswerte der CDU-Vorsitzenden arg abgerutscht. Und: Unumstritten ist die Kanzlerin schon lange nicht mehr in der eigenen Partei. Zwar drängt sich derzeit niemand wirklich auf, der sie beerben könnte. Aber in der Politik gilt: In Zeiten parteipolitischer Not findet sich immer rasch jemand, der ans Ruder will oder sich bitten lässt. Dann wird ins Saarland oder nach Schleswig-Holstein geschaut. Merkels eigener Werdegang ist übrigens das beste Beispiel dafür, wie aus einer Gelegenheit eine Karriere wird.

Beim Zustandekommen der Groko wäre die Macht für die Union gesichert. Darauf ist es ihr stets angekommen. Die Probleme der Kanzlerin hätten sich aber nicht erledigt: Erstens würde relativ rasch eine Debatte über die Nach-Merkel-Zeit beginnen; zweitens ist die CDU schon lange nicht mehr die Partei, die sie heute eigentlich wieder sein müsste – eine mit klarem Kurs, mit klarer, konservativer Ausrichtung und inhaltlichen Markenkernen. Merkel, dann Regierungschefin auf Abruf, könnte eine Programmdebatte an ihr vorbei vermutlich nur noch schwer verhindern. Der Union täte dies gut. Der Groko-Kanzlerin nicht.

nachrichten.red@volksfreund.de

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