Forum Alles gesehen? Von wegen!

Weltweit einmalig, diese Kolumne. Glauben Sie nicht? Na, dann lesen Sie mal!

 Peter Reinhart

Peter Reinhart

Foto: TV/Klaus Kimmling

Es ist dies, Donnerwetterkrakenwetter, die sechshundert­ste Ausgabe unserer kleinen Show. Sechs null null. Anderthalb Millionen Buchstaben, ungefähr. Immer wieder neu gemischt, weltweit einmalig. Nanu, fragen Sie, was soll das, was für eine Chuzpe, weltweit einmalig, dreht er jetzt durch?

Schnitt.

Neulich habe ich eine Erzählung des Kultautors T.C. Boyle gelesen, der Titel: Sin Dolor. Ein Arzt macht sich Gedanken über sein Leben: „Immerhin war ich nicht mehr der Jüngste, und die hippokratische Beflügelung, mit der ich Lahmen zum Gehen verhelfen und unheilbar Kranke hatte heilen wollen, war einem immer gleichen Trott gewichen: Nichts vermochte mich mehr zu überraschen, und bei jedem Patienten, der durch meine Tür trat, wusste ich bereits die Diagnose, noch bevor er sich gesetzt hatte. Ich hatte alles gesehen. Ich langweilte mich. Ich war ungeduldig. Ich war es leid.“ Die Pflicht ruft: Sprechstunde. Ein kleiner Junge wird zu dem Doc gebracht, einer, der keinen Schmerz spürt. Ein Wunder! Wie weggeblasen der Überdruss, die Langeweile ...

Schnitt.

Kenne ich, kenne ich! Du stehst morgens auf und denkst, dass du alles gesehen hast ... und dann passiert etwas, das nie passiert ist, dann bekommst du Post, die du nie bekommen hast, dann triffst du Leute, die du nie getroffen hast. Das ist das Wunderbare am Journalismus: Jeder Tag ist überraschend, jeder Tag ist anders, jeder Tag ist spannend.

Schnitt.

Herr L. aus Sch. an der Mosel schreibt mir. Er ist sicher, mein Foto in der Zeitung beweise es, dass ich „die Meisterschaft der Seele erreicht“ habe. Oha! Mit Hilfe eines Pendels oder einer Rute und den Schwingungen von Fotos stellt er zweifelsfrei fest, ob Menschen leben oder tot sind. Und sorgt dafür, dass sie den ihnen angemessenen Rang in der hierarchischen Schöpfung erhalten, als „Meister“ oder als „normal sterblich“. Um dies der Nachwelt zu dokumentieren, möge ich über ihn schreiben oder einen Film drehen.

Besten Dank, Herr L., ich finde es tröstlich, dass ich noch lebe, und das als „Meister“! Ob wir das Projekt angehen, na ja, ich überlege.

Schnitt.

Einmalig, diese Kolumne, weltweit, sage ich doch. Oder gibt es irgendwo auf dem Globus jemanden, der sich auf T.C. Boyle, einen Parabiologen von der Mosel und fünfhundertneunundneunzig Vorgänger beruft, um die Exklusivität seiner Texte aufzuzeigen?! Ich kann es mir nicht vorstellen – und freue mich auf alles, was kommt. Sie auch, oder?!

Herzliche Grüße!

Peter Reinhart

Stellvertretender Chefredakteur

E-Mail: forum@volksfreund.de

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