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„Worte können sein wie kleine Arsen-Dosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ (Victor Klemperer)
Die Sprache ist gleichsam der Leib des Denkens, sagt der Philosoph Hegel. Sie bestimmt das Bewusstsein, und aus dem Bewusstsein, aus dem Denken, entstehen Taten. Unbedacht verwendete Wörter sind gefährlich. Sie diskriminieren, sie demütigen, sie verletzen – wie Waffen.
Der Nazi-Jargon ist ein Paradebeispiel für manipulative Sprache. Victor Klemperer, selbst verfolgt, hat die „Lingua Tertii Imperii“ in seiner Studie LTI – Notizbuch eines Philologen (1947) analysiert: „Der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang, und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden.“ Und weiter: „Worte können sein wie kleine Arsen-Dosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“
Manche Wörter sind für immer kontaminiert. Darauf weist Volksfreund-Leser Jürg Langguth aus Traben-Trarbach hin. Er hat im Artikel „Romika in Trier wird wohl endgültig Geschichte“ (TV vom 21./22. Dezember) ein Nazi-Giftwort entdeckt: „Ihren Berichterstattern ist ein fataler Irrtum unterlaufen! Es gab niemals eine ,jüdische Fabrik’ Romika. Richtig könnte es heißen: Sie war im Besitz Deutscher jüdischen Glaubens. Bitte korrigieren Sie das. Solche Anmerkungen tragen nur weiter zu antisemitischen Gefühlen bei.“
Ich stimme Ihnen zu, lieber Herr Langguth, und es wäre übel, hätten die Reporter gedankenlos von einer „jüdischen Fabrik“ erzählt. Haben sie aber nicht. Sondern den Titel eines Buchs zitiert: Romika – „Eine jüdische Fabrik“ von Heinz Ganz-Ohlig, der das Nazi-Giftwort, wie es sich gehört, in Anführungszeichen über seine verdienstvolle Recherche gesetzt hat (2012 in der Schriftenreihe des Emil-Frank-Instituts an der Universität Trier erschienen).
Hintergrund: Zwei der drei Kölner Schuhfabrikanten, die 1921 im Ruwertal das Romika-Werk gründeten, waren jüdischen Glaubens, sie wurden nach der „Machtergreifung“ (Nazi-Jargon) wegen ihrer „jüdischen Rasse“ (Nazi-Jargon) drangsaliert und aus der „deutschen Volksgemeinschaft“ (Nazi-Jargon) ausgeschlossen, ihr Unternehmen wurde abwertend als „jüdische Fabrik“ (Nazi-Jargon) bezeichnet und in den Konkurs getrieben, der dritte Gründer als „verjudet“ (Nazi-Jargon) davongejagt, die Romika nach der „Arisierung“ (Nazi-Jargon) als „kriegswichtiger Betrieb“ (Nazi-Jargon) weitergeführt. Nach dem Ende des „Dritten Reichs“ (Nazi-Jargon) wollte sich an all das niemand mehr erinnern ...
Herzliche Grüße!
Peter Reinhart
Stellvertretender Chefredakteur
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