Forum Der Fluch des Wissens

Kommunikation ist das, was ankommt. Wenn nichts ankommt (oder nur Bruchstücke), liegt es womöglich daran, dass die Botschaft nicht zu verstehen ist.

 Peter Reinhart

Peter Reinhart

Foto: TV/Klaus Kimmling

Und es bleibt: schwierig. Kommunikation. Sie wissen schon: Sender sendet Nachricht, Empfänger empfängt Nachricht – und interpretiert sie. In der Theorie: so leicht. Im richtigen Leben: so kompliziert. Es kommt darauf an, wer etwas sagt, warum, zu wem und wie, es kommt auf die Absicht an, den Zusammenhang, die Vorgeschichte, es kommt auf den Adressaten und seine Erwartungshaltung an. Gemeint ist nicht gesagt, gesagt ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden ...

Das Verrückte: Wir wissen, dass und warum Kommunikation so oft schiefgeht, und verheddern uns doch immer wieder in der Sprachfalle. Ein Beispiel, von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart untersucht: die Kommunikation der Bundesregierung in Sachen Corona. Die Analyse von exakt 1362 Pressemitteilungen (Zeitraum März 2020 bis Januar 2021) zeigt, was Wortungetüme, Bandwurmsätze, nicht erklärte Fremdwörter und Fachbegriffe anrichten – die Menschen verstehen es nicht  oder verstehen es falsch.

„Informationen zur Corona-Pandemie und zu den staatlichen Schutzmaßnahmen sollten besonders verständlich sein. Sie sind es aber nicht“, meint der Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Frank Brettschneider.

Was soll der Laie anfangen mit solchen Monstern: Corona Matching Fazilität, Corona-Hackathon, Point-of-Care-Antigentest, Coronavirus Digital Content Hub, Letalität, Stratifikation, Containment Scouts, „coparion“ Liquiditätshilfen, Provenienzforschung, Corona Audio Campaign, Corona-Toolbox ...

Oder mit Wortzusammensetzungen wie: WissZeitVG-Befristungsdauer-Verlängerungs-Verordnung, Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz, Vereinfachter-Zugang-Verlängerungsverordnung, Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz, Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung, lebensmittelkennzeichnungsrechtlich, First-In-First-Out-Abverkaufs-Prinzip ...

Grausliges Verwaltungsdeutsch!

Woran hapert es? Die Experten, ob Wissenschaft oder Verwaltung, verstehen ihren eigenen Jargon, klar, vergessen aber zu übersetzen (oder sind zu bequem oder haben keine Zeit oder keine Lust) – der Fluch des Wissens.

Kommunikation ist das, was ankommt. Wenn nichts ankommt (oder nur Bruchstücke), liegt es womöglich daran, dass die Botschaft nicht zu verstehen ist.

Bleiben Sie munter!

Peter Reinhart

Stellvertretender Chefredakteur

E-Mail: forum@volksfreund.de

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