Forum Ha, was für eine Motzgurke!
Was Sie schon immer über Meinungsfreiheit wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten …
Es ist und bleibt kompliziert. Manche Menschen meinen, dass sie ihre Meinung in Deutschland nicht sagen dürfen. Dies beklagen sie zum Beispiel in Leserbriefen. Sie sagen öffentlich, dass sie meinen, dass sie ihre Meinung nicht sagen dürfen. Sie nutzen die Freiheit der Meinung, die es nach ihrer Meinung nicht gibt.
Andere Menschen meinen, es wäre besser, wenn manche Menschen ihre Meinung nicht sagen dürften, weil diese Meinung total anders, total falsch, total unsagbar sei. Sie nutzen die Freiheit, ihre Meinung zu sagen, und wollen anderen, die eine andere Meinung haben, untersagen, ihre Meinung zu sagen.
So, bevor wir das Hirn noch mehr verzwirnen: Die Meinung ist frei, und ich halte es aus tiefster Überzeugung mit dem Aufklärer Voltaire (1694-1778): Ich mag verdammen, was Sie sagen, aber ich werde alles dafür tun, dass Sie es sagen dürfen!
Immer noch zu kompliziert. Ich versuche es mit einer Metapher. Die Redaktion ist, was Leserbriefe angeht, unparteiisch. Wie ein Schiedsrichter im Fußball, der dafür sorgt, dass die Regeln beachtet werden, der aufpasst, dass keiner über die Stränge schlägt, der Fouls ahndet – und ansonsten „Luft“ ist.
Der Schiri, nennen wir ihn Voltaire, hat selbstverständlich eine eigene Meinung, doch er behält für sich, wie er das Spiel und die Spieler einschätzt. Es kommt nicht darauf an, ob der Kick ihm gefällt oder nicht. Er denkt sich sein Teil.
Vielleicht so: Boah, was für ein Traumtor! Uuih, eleganter Vortrag! Nee, da verdribbelt und verzettelt sich einer gewaltig! Ach, wie müde, nimm mal Tempo auf, Junge! Oh je, das sieht nach Stress und einem Hochrisikospiel aus! Ha, was für eine Motzgurke, ganz schön frech, holzt heftig rum, zu aggressiv, muss ich abpfeifen! Rote Karte!
Für Voltaire, den Spiel-Manager, sind sie alle gleich, er lässt sie gewähren, bis zur Schmerzgrenze. Die Schlauen, die Oberschlauen, die Schnellen, die Langsamen, die Konservativen, die Revoluzzer ...
Und was ist mit den Ewiggestrigen, die neuerdings wieder von der rechten Außenlinie attackieren? Die mit der Fascho-Taktik? Vom Platz stellen? Lebenslang sperren? Dann würden sie woanders kicken, in dieser komischen Facebook-Liga, ohne Schiedsrichter, ohne Kontrolle, und dem Publikum etwas vorgaukeln.
Voltaire meint: Klüger ist’s, sie im Blick zu haben, auf meiner Spielwiese, und ihr Gebolze zu beobachten – jeder soll sich davon überzeugen, was das für eine Truppe ist.
Herzliche Grüße!
Peter Reinhart
Stellvertretender Chefredakteur
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