Forum Wir lernen und lernen und lernen

Die Zeiten sind aufregend. Ja, wir sitzen in der Grütze, aber da werden wir uns herausarbeiten. Ganz sicher. Nerven behalten.

 Peter Reinhart

Peter Reinhart

Foto: TV/Klaus Kimmling

Wenn wir uns aus der Grütze herausgearbeitet haben, wird die Welt eine andere sein. Wieder einmal. Wie nach der Pest, der Cholera, den Pocken. Wie nach Kriegen, wie nach Hungersnöten, wie nach Atomunfällen. Krisen verändern die Welt. Meist zum Positiven. Ich bin zuversichtlich.

Gab es das jemals, dass Milliarden Erdlinge kollektiv solche Einschränkungen erduldet haben, um uns alle und besonders eine Risikogruppe – die Alten und Geschwächten – vor einer Virusinfektion zu schützen? Nein, das gab es noch nie. Ein gewaltiger zivilisatorischer Fortschritt. Großartig.

Also. Jetzt gerade, tief in der Grütze, lernen wir. Manches verstehen wir, anderes nicht, wir sammeln Erfahrungen. Und bald, wenn das Schlimmste überstanden ist, werden wir die Lernchancen, unser frisch erworbenes Wissen, nutzen.

Erst einmal lernen wir ganz praktisch, was soziale Distanz ist. Zwei Meter Abstand voneinander halten, keine Kontakte. Wir lernen, was ein Lockdown oder Shutdown ist. Alles stilllegen, alles schließen, bis auf das unerlässlich Notwendige. Wir lernen, was Virologie ist, was eine Epidemie von einer Pandemie unterscheidet, was die Exponentialkurve verrät.

Wir lernen einiges über das globale Dorf, in dem wir leben, besser: Wir erinnern uns. Wir erinnern uns, dass Not erfinderisch macht. Wir erinnern uns, dass wir extrem gut darin sind, uns an schwierige Bedingungen anzupassen. Wir erinnern uns, dass wir soziale Wesen sind, die sich helfen, zusammenhalten, unterstützen. (Die meisten. Manche leider nicht, die bringen andere in Gefahr, feiern Corona-Partys, saugen reihum an der Shisha, hamstern Regale leer. Ignoranten, Egoisten, Dumpfbacken – die üblichen Verdächtigen seit je.)

Wir lernen, wie sehr es auf Kommunikation ankommt, auf die Tonalität, auf einzelne Wörter. Die Angst vor der Angst ist ansteckender als jedes Virus. Ich habe neulich und vorneulich und vorvorneulich darüber geschrieben. Bringt nix. Ist irrational. Deshalb umso wichtiger, für Politiker, für Wissenschaftler, für Journalisten: nicht von Krieg und Untergang und Panik faseln, sondern konstruktiv argumentieren, aufklären, erklären; nicht pausenlos Alarm schlagen, sondern Mut zusprechen; nicht nur sagen, was (momentan) nicht geht, sondern was geht.

Was geht, sehen wir. Zum Beispiel, was die Digitalisierung bewirkt. Was wir erreichen und bewegen dank der Vernetzung über das Internet. Der Transfer von Wissen: läuft. Wir arbeiten von zu Hause aus: läuft. Wir kaufen online ein: läuft. Schüler und Studenten lernen online: läuft. Alles anders als gewohnt, aber es läuft. Diese Erfahrungen werden unsere Lebensweise verwandeln.

Ach ja, dass Wichtigtuer und Durchgeknallte das Netz mit Falschmeldungen und Unfug zukleistern, war zu erwarten. Mein Tipp: ignorieren, distanzieren. Fake-News und Viren lassen sich nur stoppen, wenn man sie nicht weiterverbreitet.

Alles wird gut. Wir lernen und lernen und lernen. Manches verstehen wir, anderes nicht. Das Rätsel der Klopapier-Hysterie wird womöglich nie gelöst.

Bleiben Sie munter!

Peter Reinhart

Stellvertretender Chefredakteur

E-Mail: forum@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort