Fußball Abhängig von Spekulanten

Zum Artikel „Erneute Fan-Kritik im Zoff mit dem DFB“ (TV vom 9. März) schreibt Ernst Geilenkirchen:

Die Proteste und Beschimpfungen machen deutlich: Es geht hier nicht um eine Person, es geht um etwas Grundsätzliches, nicht um die Auseinandersetzung zwischen Fans und Dietmar Hopp.

Die Ultras sind in der Mehrzahl keine dumpfe Horde radikaler Fans. Ultras aus München und Frankfurt und Fans anderer Bundesliga-Vereine setzen sich ein für Rechte von Minderheiten. Die „Schickeria“-Gruppe aus München wurde vor einigen Jahren vom DFB sogar ausgezeichnet für ihr vorbildliches Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung im Fußball. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass Teile der Ultras oft ein anderes Gesicht zeigen, indem sie vor der Anwendung von Gewalt nicht zurückschrecken; leider gibt es dafür viele Beispiele, die absolut abstoßend sind. Nicht alle Fanclubs sind Ultras, nicht alle Ultras sind Chaoten, die Fans lassen sich nicht alle in einen Sack stecken.

Die Proteste richten sich zuallererst gegen den vermehrten Kapitalzufluss, der zur Folge hat, dass man kaum noch unterscheiden kann, ob der Fußball noch Sport ist oder nur noch zur Unterhaltungsindustrie gehört. Der Live-Zuschauer ist nicht mehr so wichtig für die Finanzen der Vereine. Werbepartner und Sponsoren bestimmen über den Spielplan, über Anstoßzeiten und Innenraumgestaltung in den Stadien. Auch die Auswüchse bei den Spielergehältern sind Ausdruck dieses ungehemmten Kapitalismus. Das System ist krank, wenn es möglich ist, dass ein Spieler im Alter von 20 Jahren schon Millionen verdient – im Monat.

Für diesen vom Live-Zuschauer unabhängigen Kapitalzufluss steht Dietmar Hopp bei vielen Fans als Reizfigur und als Symbol für eine Entwicklung, die ein Risiko für den Fußball darstellt. Englische Klubs, auch der allseits beliebte FC Liver­pool, sind längst in den Händen von Investoren. Keiner dieser Bosse ist demokratisch gewählt für die Aufgabe, die Geschicke des Vereins zu bestimmen. Die Vereine begeben sich in Abhängigkeit von Spekulanten. Fans fühlen sich in ihrem Beitrag vernachlässigt, merken, dass sie für ihren Verein weniger wichtig sind. Darunter leidet die Atmosphäre in den Stadien, die in Deutschland noch weitgehend intakt ist und von Fans getragen wird. Die Entwicklung im Fußball steht für ein System, das alles dem Profit unterordnet, bei dem die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Es ist Ursache für die Spaltung in der Gesellschaft und im Fußball.

Jedenfalls haben die Ultras mit ihrer dummen und beleidigenden Aktion gegen Dietmar Hopp erreicht, dass über diese Auswüchse im Fußball geredet wird. Sie wollten provozieren, um auf diese Fehl­entwicklungen aufmerksam zu machen. Es wäre zu wünschen, dass jetzt ernsthafte Gespräche geführt werden.

Ernst Geilenkirchen, Kelberg

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