Äußerst grenzwertig

Gesellschaft

Zur Berichterstattung über die "Ehe für alle" und zu einem Leserbrief unter der Überschrift "Dreh zu, es kommt Schlamm" (TV vom 5. Juli):
Zum einen möchte ich Herrn Scheuern gerne die erwünschte Antwort auf die Frage geben, wie die "von den Medien propagierte 70-prozentige Mehrheit der Deutschen, die für dieses Gesetz sein soll" wohl ermittelt worden ist.
Ganz einfach, die Medien haben recherchiert. Zugrunde lag die im Januar 2017 veröffentlichte bevölkerungsrepräsentative Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit dem Titel "Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Deutschland". Dieser Studie entstammen die genannten Zahlen, womit der für mich im Raum stehende, eventuell so nicht geäußerte Vorwurf der "Lügenpresse" entkräftet sein dürfte. Herr Scheuern schreibt: "Man hat dies nirgendwo gesehen oder mitbekommen." Doch, am 2. Januar stand die Veröffentlichung auch im Volksfreund.
Zum anderen möchte ich mich zur privaten und somit zu meiner Erleichterung nicht repräsentativen Befragung im Bekannten- und Kollegenkreis von Herrn Scheuern äußern. Ich habe genau wie er in meinem Umfeld recherchiert und stelle fest: Herr Scheuern und ich leben in der gleichen Gemeinde; unser Bekanntenkreis scheint jedoch ein ganz anderer zu sein, da die Antworten doch stark voneinander abweichen.
In meinem Bekanntenkreis waren die Antworten auch unterschiedlich, jedoch weder abwertend und verletzend noch die Würde von Minderheiten missachtend. Die Begriffe "Mist, Kram, Schlamm" tauchten in den Antworten nicht auf, es wurden Sichtweisen und Argumente genannt und es ergaben sich Übereinstimmungen oder kontroverse Diskussionen auf sachlicher Ebene. In meinen Augen die demokratischere Variante.
Wer nicht bereit ist, sich mit Argumenten mitzuteilen, dem fehlen vielleicht die Argumente. Wer sich nicht für die Sichtweisen anderer interessiert, weil er gerade selbst nicht betroffen ist, dem mangelt es vielleicht an Offenheit und Toleranz. Wer sich selber ausgrenzt von der Diskussion an gesellschaftlichen Prozessen, nimmt sich vielleicht selber die Chance auf die mitgestaltende Teilhabe an einer sich entwickelnden Gesellschaft.
Marie-Therese Frigerio
Newel

Leserbriefe zu einem aktuellen Thema, wie dies die Gesetzgebung zur "Ehe für alle" darstellt, sind selbstverständlich legitim. Pauschale Verunglimpfungen durch Schreiber, denen nach eigener Bekundung die Thematik pupsegal ist und sie hierauf (angeblich) keine Gedanken verschwenden, sind äußerst grenzwertig. Derartige Leserbriefe sollten meiner Meinung nach nicht veröffentlicht werden.
Robert Franzen
Kirf

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