Aktiv geleugnet, gezielt vertuscht

Zu "Runder Tisch erkennt Leid der Heimkinder an" (TV vom 23./24. Januar):

Der Polizeipsychologe Gallwitz stellt im TV--Interview fest, früher seien weniger Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch angezeigt und aufgeklärt worden. Der Bericht über die Torturen ehemaliger Heimkinder in derselben Ausgabe untermauert genau diese Feststellung. Misshandlungen und Missbrauch in überwiegend kirchlichen Heimen sind lange Zeit sogar aktiv geleugnet und gezielt vertuscht worden. Ein Beispiel: In den achtziger Jahren lernte ich den aus Trier stammenden Journalisten Alexander Markus Homes kennen, der als Betroffener die im Heim erlittenen Foltern und Vergewaltigungen in seinem Buch "Prügel vom lieben Gott" (1981) schilderte. Das katholische Rüdesheimer St. Vincenzstift, in dem der Autor von 1966 bis 1975 auf Anordnung des Jugendamtes Trier zwangsweise untergebracht war, ging juristisch gegen die Veröffentlichung vor. Zwar gelang es nicht, ein Verbot des Buches zu erwirken, aber es durfte nur mit dem ausdrücklichen Hinweis weiterverkauft werden, die dort geschilderten Ereignisse seien fiktiv.

Ende der neunziger Jahre übte das Vincenzstift wegen eines weiteren Homes-Buches ("Gestohlene Kindheit") erfolgreich Druck auf die Verlage - Patmos sowie für die Taschenbuchausgabe Ullstein - aus, die das Buch vom Markt nahmen. In einem neueren Buch, "Heimerziehung: Lebenshilfe oder Beugehaft? Gewalt und Lust im Namen Gottes" (2006) beschreibt Homes entsprechende Fälle, die bis Anfang 2006 reichen. Dass Misshandlung und Missbrauch von Heimkindern völlig der Vergangenheit angehören, darf also getrost bezweifelt werden.

Klaus Blees, Trier

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