Alle vertrottelt?

Artikel wie dieser von dpa-Mitarbeiter Can Merey machen mich zunächst sprachlos vor Unverständnis, dann wütend über die dahinter steckende bewusste Desinformation und schließlich traurig über die wahrscheinlichen Konsequenzen in einer Öffentlichkeit, deren Meinung allzu einfach durch Schlagzeilen beeinflusst werden kann.

Der Autor tut so, als sei die Bundeswehr von Anfang an nur zum Wiederaufbau und Verteilen von Süßigkeiten nach Afghanistan entsandt worden und spricht von einer "Verblüffung" im Bündnis über eine unterstellte Unkenntnis des deutschen Bundestages über den tatsächlichen Charakter des Einsatzes dort. Sind unsere Abgeordneten alle realitätsferne Träumer, und sind wir Deutsche alle so vertrottelt, dass wir nicht mehr mitbekommen, was um uns vorgeht und worauf wir uns einlassen? Wenn es in Afghanistan "nur" um Wiederaufbau gegangen wäre, hätte man eher das Technische Hilfswerk entsandt. Doch bei der Beteiligung der Bundeswehr an diesem Einsatz ging es darum, mittels einer multinationalen Streitmacht ein UN-Mandat durchzusetzen, um einen brutalen Angriff auf die Menschenrechte durch die Taliban zu beenden und die Rückkehr zu menschenwürdigen Lebensverhältnissen in einem Land zu ermöglichen, das bis dahin eine sichere Fluchtburg für den internationalen Terrorismus darstellte. Dies ist politische Realität. Wie es dazu kam und ob dies die einzig richtige Vorgehensweise war, um den Menschen in Afghanistan zu helfen, sind Fragen der Vergangenheit, und die politischen Bemühungen zur langfristigen Befriedung des Landes dürfen deshalb nicht nachlassen. Von drängender Aktualität ist aber die Tatsache, dass jetzt, in all der Zeit, wo man in Deutschland über einen möglichen Einsatz von Aufklärungsmitteln diskutiert, fast täglich Männer und Frauen aus unseren verbündeten Streitkräften im afghanischen Süden verwundet werden und sterben, auch weil sie ohne ausreichende Lageinformation in feindliche Hinterhalte geraten. Wer erklärt den Familien der gefallenen englischen, kanadischen oder niederländischen Soldatinnen und Soldaten, dass die Teilnahme der Bundeswehr ja eigentlich nicht zum Kämpfen, sondern nur zum Repräsentieren gedacht sei? Gerade wir Deutsche haben in Freiheit überlebt, weil wir während des Kalten Krieges auf unsere Bündnispartner vertrauen konnten. Nun sollen auch unsere Bündnispartner der Isaf auf uns Deutsche vertrauen können, um in Afghanistan bessere Chancen zum Überleben zu haben. Ein Bekenntnis hierzu ist überfällig, und in Anbetracht der Sicherheitslage ist Eile dringend geboten. Heinz Hank, Konz

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