Politik Also zu dumm ...

Zur Berichterstattung über die Regierungskrise in Thüringen und den angekündigten Rücktritt der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer schreiben Ernst Geilenkirchen, Peter Grasmück und Hans-Werner Thesen:

Da wird ein Ministerpräsident gewählt mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD, und im Nachhinein wollen die beiden Parteien der Mitte es so darstellen, als seien sie ausgetrickst worden. Sie waren also zu dumm, sind der AfD auf den Leim gegangen.

Vielleicht aber wollten sie auch gar nicht sehen, was da gespielt wurde, weil es ihrem politischem Kalkül besser in den Kram passte, mit dem Faschisten Höcke zu paktieren, um den Linken Ramelow zu verhindern.

Ob Dummheit oder politische Trickserei, solche Abgeordneten braucht unsere Demokratie nicht. Gerade die, die in Sonntagsreden vorgeben, unsere Staatsform um jeden Preis verteidigen zu wollen, werfen alle Prinzipien über Bord, wenn ihre Parteiinteressen es scheinbar erfordern. Auch viele Vertreter der „politischen Elite“ in Deutschland haben die Tragweite des Thüringer Kuhhandels nicht erkannt. Wie gewohnt wird versucht, den Schwarzen Peter andern unterzuschieben. Julia Klöckner geht bei Twitter sogar so weit, Bodo Ramelow selbst als Verursacher der Misere darzustellen, da er sich ja gar nicht zur Wahl hätte stellen müssen. Das Opfer wird zum Täter, ein einfaches Feindbild ersetzt die politische Analyse zur Problemlösung.

Es wäre sinnvoller, über das Verhältnis zur Partei der Linken konstruktiv nachzudenken, vielleicht fände man dann auch leichter Zugang zu den Problemen der Menschen im Osten.

Denn immer noch setzen weite Teile von CDU und FDP die AfD und die Linken gleich, sehen in beiden Extremisten, mit denen „anständige Menschen“ nichts zu tun haben wollen. Ramelow und Höcke werden in einen Topf geworfen!

Diese Vereinfacher verkennen, dass die Rechtspopulisten die Ungleichheit in der Gesellschaft fördern, Bevölkerungsgruppen ausgrenzen, Meinungsfreiheit einschränken, den von Menschen verursachten Klimawandel leugnen, die Nazi-Verbrechen verharmlosen, die Gesellschaft spalten und die Demokratie verächtlich machen. Ich bin weder Mitglied noch Wähler der Linken, einige ihrer politischen Ziele lehne ich ab (Verteidigungspolitik, Verfassungsschutz).

Im Gegensatz zur AfD tritt sie aber für Gleichheit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft ein. Sie fordert faire Löhne, bezahlbaren Wohnraum und höhere Besteuerung von Spitzenverdienern, sie will also die Spaltung der Gesellschaft beheben. Über ihre Lösungsvorschläge, um dieses Ziel zu erreichen, kann man unterschiedlicher Meinung sein.

Die Linke hat jedoch bei Regierungsbeteiligungen in den „neuen Ländern“ gezeigt, dass sie zur demokratischen Sacharbeit in der Lage ist, ohne ideologische Scheuklappen.

Ernst Geilenkirchen, Kelberg

Die deutsche Politik ist in den letzten Jahren zunehmend parteienlastig geworden.

Es ist nicht nur die unsägliche Vorsitzenden-Suche der SPD und die Penetranz der Neonazis, die im Wesentlichen auf der Politikverdrossenheit und dem daraus resultierenden Denkzettelwählen vieler beruht.

Das aktuelle Thüringen-Problem setzt dem Missmut die Krone auf. Letztendlich scheint unsere parteizentrierte Demokratie an ihre Grenzen zu stoßen, weil sich Politiker viel zu sehr mit sich selbst beschäftigen und parteiinterne Probleme dauernd im Vordergrund stehen.

Die mediale Überfrachtung fördert diese Entwicklung noch, ist es doch öffentlichkeitswirksamer, von persönlichen Niederlagen und sensationellen Politikerfinten, Duellen und Intrigen zu berichten. Wir sollten das Parteiensystem verändern.

Ein Blick in die Nachbarschaft könnte helfen. Zum Beispiel nutzt man in der Schweiz mit ihrer Konkordanzdemokratie nicht nur die Potenziale der Partei mit den meisten Wählerstimmen. Alle Parteien sollten gemäß der Wahlergebnisse an der praktischen Politik beteiligt sein, nicht nur in Ausschüssen und Kontrollgremien, sondern auch als verantwortliche Minister. Das Alles-oder-nichts-Prinzip führt allzu sehr zu Überforderung auf der einen Seite und zum unnützen Verschleudern wertvoller Potenziale auf der anderen, oppositionellen, Seite.

Die freie Wirtschaft macht es vor: Keine Firma würde es sich leisten, Mitarbeiter mit anderen, innovativen, aktuell vielleicht unangebrachten Ideen links oder rechts liegen zu lassen. Einbindung in verantwortliches Handeln ist ein erfolgreiches Prinzip jedes Managements. Opposition um der Opposition willen ist ebenso kontraproduktiv wie unangebrachtes Machtgehabe der Regierenden.

Peter Grasmück, Taben-Rodt

Zum Artikel „Weimar, immerwährende deutsche Warnung“ (TV vom 12. Februar):

Ich kann der Analyse von Martin Bewerunge und Frank Vollmer zu den Vorgängen in Thüringen im Wesentlichen voll zustimmen. Die Bundesrepublik ist weit davon entfernt, dass man sie mit den Verhältnissen in der Weimarer Republik vergleichen könnte. Es ist daher auch völlig übertrieben und zeugt von einer eklatanten Unwissenheit über die geschichtlichen, wirtschaftlichen, sozialpolitischen Verhältnisse während der Zeit der Weimarer Republik, wenn man die Bundesrepublik in einer ähnlichen Gefahr verortet, wie es die Weimarer Republik war.

Die AfD als eine der NSDAP gleich gefährliche Partei darzustellen, das skizziert dieser Artikel in korrekter Weise, ist deshalb auch völlig abwegig.

Es gibt jedoch einen Aspekt, der auch in diesem Artikel überhaupt nicht angesprochen wird, der mir aber zunehmend Sorgen bereitet, was die Stabilität unserer verfassungsmäßigen Ordnung angeht. Nämlich: Die Bundeskanzlerin attackiert das Ergebnis einer rechtmäßig durchgeführten Wahl in Thüringen, indem sie fordert, dass deren Ergebnis „rückgängig gemacht werden muss“. Damit verletzt sie gleich mehrere Artikel des Grundgesetzes. Artikel 20 GG (Demokratieprinzip), Artikel 38 Abs 1 GG (Freiheit des Mandats). Darüber hinaus verletzt sie damit das föderative Prinzip der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland, was ja ebenfalls in unserem Grundgesetz unveränderlich festgelegt ist.

Ich würde mir wünschen, wenn es schon nicht die anderen Parteien im Bundestag tun, dass sich die Presse mit diesem Thema beschäftigt und ihrer Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren, nachkommt.

Was die Bundeskanzlerin in dieser Sache getan hat, ist in meinen Augen eine gravierende Verletzung unserer in der Verfassung festgelegten Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Ordnung. Wer die Verfassung bricht, sie aushöhlt, ohne dafür belangt zu werden, wird zu einer Gefahr für diesen Staat.

Mit der AfD muss man sich parlamentarisch auseinandersetzen, und zwar ausschließlich nach rechtsstaatlichen Prinzipien, will man unsere Demokratie nicht beschädigen. Insbesondere die CDU sollte sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, was sie denn alles falsch gemacht hat, dass die AfD entstanden und zu solcher Stärke gekommen ist.

Hans-Werner Thesen, Kenn

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