Angekratzte Solidarität

Zum Leserbrief "Nur Besserverdienende profitieren" (TV vom 1./2. April) schreibt dieser Leser:

Ceterum censeo Seidenathum ad mathematicos esse mittendum (zu deutsch: Im Übrigen meine ich, S. müsse zu den Mathematikern geschickt werden). Frei nach der Forderung Catos in jeder römischen Senatssitzung zwischen den punischen Kriegen, Karthago müsse zerstört werden.

Ein soziales Problem dieser Größenordnung lässt sich nicht mit dem Jonglieren von Zahlen beim Einkommen oder den Lohnzusatzkosten und keinesfalls mit der Eliminierung einzelner Politiker lösen. Und die Finanzierung der Gesundheit ist mittlerweile in unserem Sozialstaat zu einem Großproblem geworden, obwohl bereits Milliarden Steuergelder in das System fließen und geflossen sind. Unüberschaubar viele Reformgesetze in den letzten Jahrzehnten versickerten in ihrer Wirkung im Sande.

Eine ernsthafte Ursachenforschung der Schieflage zwischen Einnahmen und Ausgaben im System tut offenbar Not, um unser, im Vergleich zu anderen Staaten sehr sozial gestaltetes Gesundheitssystem grundsätzlich erhalten und dennoch für jedermann bezahlbar und zukunftsfest gestalten zu können.

Es kann doch nicht "das Gelbe vom Ei" sein, wenn die Solidarität bei einem bestimmten Betrag (derzeitige Beitragsbemessungsgrenze 3750 Euro) aufhört.

So zahlt beispielsweise eine grüne Bundestagsabgeordnete und ehemalige Ministerin (Bärbel Höhn) nach eigenen Aussagen für ihre Vollversorgung genau so viel wie ein Facharbeiter mit einem Bruttolohn von 4000 Euro. Die vielgepriesene Solidarität des derzeitigen Systems ist somit mehr als angekratzt, zumal die neue Zusatzprämie einkommensunabhängig erhoben wird.

Die gleichzeitige Schmähung einer angedachten Gesundheitsprämie (unschön: Kopfpauschale) mit sozialem Ausgleich (dabei werden gerechterweise alle Steuerzahler an den Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen beteiligt) dient lediglich einer weiteren Polarisierung in der Bevölkerung. Solange ideologische Voreingenommenheiten nicht parteiübergreifend abgelegt werden, kann Gesundheitspolitik nicht zum Nutzen aller gedeihen.

Hans Reuter, Zerf

gesundheit

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