Architektur

Zu den Artikeln "Jeder baut, wie er will [… ]" und "Wenn plötzlich überall Toskana ist" sowie zum Pro und Kontra (TV vom 2. November):

Die Freiheit, von der Marcus Hormes spricht, wird am Ende zum Misserfolg einer ganzen Region. In der Eifel den Wildwuchs der Baustile anzuprangern, kommt sowieso Jahrzehnte zu spät. Um das zu beweisen, braucht man nur die Übernachtungs- und Tourismuszahlen anderer Regionen zu vergleichen: Schwarzwald, Bayern, Norddeutschland und so weiter. Die Statistiken weisen einen Zuwachs an Tourismus in der Eifel nach. Natürlich, wenn man im Vergleich mit den oben genannten Regionen vom niedrigsten Niveau aus startet, kann schon eine einprozentige Steigerung eine Party wert sein. Bringt aber nichts, wenn die Infra struktur schwach ist und die Gegend keinen eigenen Charakter mehr zeigt. Die Eifel hat mit wenigen Ausnahmen ihren regionaltypischen Stil in den letzten 40 Jahren weitestgehend den Baumärkten geopfert. Edelstahl, die Grünflächen komplett zugeplättet, Bäume, die gefällt werden, weil sie im Herbst Blätter verlieren, unsägliche Farbkombinationen, Scheußlichkeiten in Serie. Dass die Architekten sich beschweren, ist verwunderlich. Wer plant die Toskana-Villa im Eifeldorf? Und das Bauamt verwaltet das Drama. Gebiete, die sich ihren regionalen Bautraditionen auch beim Neubau verpflichtet fühlen, profitieren neben dem Tourismus in vielfältig anderer Weise, etwa bei Arbeitsplätzen und höheren sowie stabileren Einkommen. Gute Gas tronomie ist aus der Eifel bis auf wenige Ausnahmen komplett verschwunden. Gastronomie braucht Gäste. Die kommen aber nicht mehr wie früher. Wer will denn abends im Hotel sitzen und Butterbrote essen, wenn er Ferien hat? Also fährt man gleich woanders hin. Und die Qualität der Hotels in der Eifel kann modernen Ansprüchen meist nur wenig gerecht werden. Mehr neue Konzepte wie die Glaadter Hütte in Jünkerath könnten Leben in die Bude bringen. Dazu gehören Mut, Stil und Durchhaltevermögen. Horst Gläser, Sankt Thomas Mit den Neubaugebieten verhält es sich wie mit einem Orchester, wo jeder Musiker auf freie Entfaltung pocht und spielt, was er will. Das mag vielleicht mit einer Besetzung aus genialen Jazzmusikern funktionieren, nicht jedoch mit einem Orchester im herkömmlichen Sinn und schon gar nicht mit durchschnittlich begabten Hobbymusikern. Genau diese Konstellation entsteht jedoch regelmäßig in unseren Neubaugebieten. Beseelt durch den Wunsch, das persönliche Traumhaus zu realisieren, wird ohne übergeordnetes Konzept munter drauflos gebaut, ohne sich der Auswirkungen auf das Gesamterscheinungsbild des Ortes bewusst zu sein. Die Ergebnisse dieser Entwicklung sind hinreichend bekannt. Ein identitätsloses Allerlei ohne regionalen Bezug dominiert in zunehmendem Maß die Ortsbilder. Es fehlt an klugen Satzungen, ergänzt durch gezielte Förderprogramme, die dafür sorgen, dass sich Neubaugebiete harmonisch in das gewachsene Ortsbild einfügen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Kaufinteressenten zunehmend versuchen, einen Altbau in einer gewachsenen Umgebung zu erwerben. Interessanterweise ziehen es auch viele Architekten vor, in einem schönen Altbau zu wohnen, statt sich in einem der profillosen Neubaugebiete mit schlechter Infrastruktur zu verwirklichen. Das sollte zu denken geben. Florian Schausbreitner, Innenarchitekt, Igel

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