Soziales Arm im Alter? Ich doch nicht – oder?

Zur Berichterstattung über Altersarmut und Pflege schreibt German Robling:

Altersarmut! Das verbinden viele mit Mindestlohn, Arbeitslosigkeit, Teilzeitbeschäftigung und anderen, meist negativ besetzten Begriffen. Wie anders sieht das Rentnerdasein aus, wenn man alles richtig gemacht und Glück gehabt hat: Ausbildung, 40 Jahre überdurchschnittlich verdient, privat vorgesorgt. Das Ergebnis ist eine Nettorente von zum Beispiel 1600 Euro und ein Sparbuch, von dem größere und unerwartete Ausgaben finanziert werden. Eine neue Gleitsichtbrille, kein Thema, ebenso wie Restaurantbesuche, die etwas teurere Rheumasalbe und der monatliche Friseurbesuch.

Dann die Wende. Erkrankung und Pflegebedürftigkeit, die einen Verbleib in der Wohnung unmöglich machen. Das Heim wird das neue Zuhause, und nach einer Eingewöhnungszeit hat man sich gut eingelebt und führt, da der gesundheitliche Zustand sich stabilisiert hat, so weit es geht sein altes Leben weiter.

Dass durch die Zahlung des Eigenanteils für die Heimunterbringung, der im Trierer Raum bis zu 2600 Euro monatlich betragen kann, das Sparvermögen bis auf einen kleinen Rest, der kaum für die Bestattungskosten reicht, innerhalb eines Jahres aufgebraucht ist, wird verdrängt, auch weil man so gut wie keine Informationen über die Konsequenzen hat.

Ist das Vermögen aufgebraucht, muss ein Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Pflege beim zuständigen Sozialamt gestellt werden, das in einem Bescheid die Übernahme der Heimkosten und einen Barbetrag zur persönlichen Verwendung (Taschengeld) in Höhe von 114,50 Euro monatlich zusagt. Das klingt erstmal gut, man stellt sich vielleicht Kaffee und Kuchen in einem Straßencafé vor, finanziert über diese großzügige finanzielle Hilfe des Sozialamtes. Leider folgt die Ernüchterung schlagartig, denn das Taschengeld ist bestimmt für die Ausgaben des täglichen Lebens, die nicht durch die Leistungen des Heimes abgedeckt sind.

Nach Abzug der Kosten für Telefon, Medikamentenzuzahlung und Fußpflege verbleiben dem Heimbewohner 75 Euro monatlich (2,50 Euro täglich), mit denen er alle nachfolgend aufgeführten Kosten, die ihm ein Leben in Würde ermöglichen sollen, bestreiten muss.

Als Beispiele seien genannt: Haarpflege, Friseur, alle Produkte der Körper-, Zahn- und Mundpflege, Kosmetika, Reinigung und Reparatur von Kleidung und Schuhen, Reparatur und Beschaffung von Brillen und Zahnersatz, soweit nicht von der Kasse übernommen, nicht verschreibungsfähige Medikamente und Salben, Batterien (Hörgerät)  Genussmittel (Getränke, Süßigkeiten und ähnliches), Geschenke, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, ebenso die Kosten für die Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen, für Ausflüge oder Theaterbesuche.

Großzügig erlaubt der Gesetzgeber noch, Teile dieses Taschengeldes anzusparen, damit man bei einem monatlichen Sparbetrag von zehn Euro nach etwa zwei Jahren zum Beispiel das defekte Fernsehgerät erneuern kann (wenn nicht gerade der Brillenrahmen gebrochen ist oder die Zahnprothese unterfüttert werden muss).

Vielleicht versteht man, warum viele Menschen in Altenheimen bei noch so fürsorglicher Pflege un­glücklich und verzweifelt sind. Man schiebt dies oft auf die Einrichtungen, weil die von mir beschriebene und in jahrelanger Tätigkeit als Heimleiter hautnah erlebte Realität tabuisiert wird, da sie Angst macht und viele von uns treffen kann.

Nicht nur der Leergut sammelnde Rentner oder die an der Tafel anstehende Hartz-IV-Empfängerin haben ein Recht auf Menschenwürde, auch ein im wahrsten Sinne des Wortes verarmter Heimbewohner hat Anrecht auf – wie man es seit einigen Wochen sagt – Respekt.

German Robling, Korlingen

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