Auf dem Altar geopfert

Zum Fall "Erika Steinbach":

Dass Deutschland betreffende politische Entscheidungen schon lange nicht mehr nur in Berlin, sondern zunehmend in Brüssel, Washington, Moskau und anderswo getroffen werden, liegt für den aufmerksamen Beobachter auf der Hand. Nun scheint sich zusätzlich zu den genannten Orten ein weiteres Kompetenzzentrum für deutsche Angelegenheiten in Warschau zu etablieren. Wie sonst ist der massive politische Druck aus Polen zu erklären, der schließlich zum Verzicht von Erika Steinbach auf eine Kandidatur für den Stiftungsrat des geplanten Vertriebenen-Zentrums führte. Oder hat hierzulande jemand ähnlich reagiert, als in Polen 2005 die nicht gerade deutschfreundlichen Brüder Kaczynski die Macht übernahmen?

Dabei gab es gute Gründe für die Mitwirkung von Erika Steinbach im Stiftungsrat: So hat sie stets den Umgarnungs- und Umarmungsversuchen rechter Parteien gegenüber dem Bund der Vertriebenen widerstanden; weiterhin hat sie immer von einem Zentrum für Vertreibungen (mit Betonung auf der Mehrzahl) gesprochen, sodass alle Vertriebenen dieser Welt und nicht nur deutsche repräsentiert sein sollten. Und letztlich besteht Einigkeit, dass es ohne ihr Engagement dieses Zentrum gar nicht geben würde. Aber genau darin liegt wohl der tiefere Grund für die polnischen Aktivitäten und die Tatsache, dass ihre Kandidatur letztlich auf dem Altar der "political correctness" geopfert wurde. Befremdlich ist, dass sich auch führende Repräsentanten der Sozialdemokratie (etwa die Herren Thierse und Steinmeier) unter dem Vorwand der Aussöhnung die polnischen Argumente zu eigen machten. Übersehen haben sie wohl, dass im Jahr 1963 mit Blick auf diese Problematik der Satz geprägt wurde "Verzicht ist Verrat" - und zwar nicht von irgendeinem rechtslastigen Biertheken-Strategen, sondern von der SPD-Ikone Willy Brandt.

Aber auch die CDU hat sich in der Diskussion um Frau Steinbach nicht mit Ruhm bekleckert: Jemand, der sich als Lehrmeister des Papstes aufspielt, sollte in der Lage sein, ein paar passende Worte zu Herrn Tusk zu finden.

Dr. Klaus Meiners, Trier

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