Bahn

Zu den Artikeln "Irgendwann fährt ein Zug nach Nirgendwo" (TV vom 15. August) und "Kein Fernzug aus Trier mehr" (TV vom 16. August):

Man muss sie einfach lieben, diese Bahn. Zu Mehdorns Zeiten fuhren wir mal mit dem Schiff von Boppard nach Bingen und von Bingen per Bahn zurück. Am Bingener Bahnhofsgebäude ein großes Plakat "Zu verkaufen". Den Bahnhof hätten wir also wohl kaufen können, nicht aber eine Fahrkarte. Denn auf dem einzigen Fahrkartenautomaten stand "Außer Betrieb, bitte Nr. xyz anrufen". Ich rufe an, muss die Automatennummer suchen und angeben, dann meinen Namen und werde informiert "jetzt können Sie beim Zugschaffner bezahlen, sagen Sie, dass Ihr Name notiert ist, das ist dann keine Schwarzfahrt". Okay, einige andere Leute, die gesehen hatten, dass ich angerufen hatte, fragen mich, "was ist nun?" "Sagen Sie alle, Sie heißen Lenssen und seien notiert", empfahl ich ihnen. - Nun gut, nur, im Zug war gar kein Schaffner. Um die Bahn nicht zu schädigen, kaufte ich mir zu Hause angekommen den Gegenwert der Fahrkarte in Briefmarken und schickte sie an Herrn Mehdorn persönlich - was aus den Briefmarken geworden ist, weiß ich bis heute nicht. Oder: kürzlich eine Fahrt nach Weimar, umsteigen in Frankfurt Flughafen. "Zug ersatzlos gestrichen" stand für den Anschlusszug zu lesen. Auf zum Servicepoint, dort erhalte ich ausgedruckt eine Auskunft für die nächstmögliche Verbindung. Allerdings nur in Englisch; mit Angabe von welcher "Platform" (Bahnsteig) der Zug abführe. Bloß, Platforms werden dort nirgends angezeigt, dafür allerdings "Tracks" (Gleise), was ja eigentlich auch vernünftiger ist. Aber die standen wiederum nicht auf dem Ausdruck. Mir scheint, jeder macht da seinen eigenen Stiefel, ohne sich für das Ganze verantwortlich zu fühlen. Und ich frage mich, warum ist das so? Gerhard Lenssen, Bernkastel-Kues Trier, das sich hin und wieder im "Herzen Europas" wähnt, wird peu à peu an den stillgelegten Rand gedrängt. Nun sollte ein Sturm der Entrüstung aufkommen, doch leider bleibt alles still: Rührt sich tatsächlich kein Hotel- und Gaststättenverband, wo doch der Tourismus ein veritables Standbein der hiesigen industriearmen Region sein soll? Wo bleibt der Aufstand mehr als 20 000 Studierender (und viel reisender Professoren und Professorinnen), die an den beiden Trierer Hochschulen lernen und lehren, arbeiten, einkaufen und Freizeit verbringen? Durch sachfremde Kriterien (Erreichbarkeit) werden diese Hochschulen im Wettbewerb um Studierende, Promovierende und Lehrende schachmatt gesetzt. Oder ist das Wissenschaftsministerium bereit, diesen eklatanten Wettbewerbsnachteil durch finanzielle Sonderzahlungen zu kompensieren? Viel Geld steckt Luxemburg in den dringend nötigen Ausbau zur Verbindung nach Trier - ist das wirklich nachhaltig investiertes Geld, wenn es dann nur mit dem Bummelzug weitergeht? Liegt die Zukunft nicht im öffentlichen und emissionsarmen Nah- und Fernverkehr, auf den vor allem eine alternde Gesellschaft setzen sollte? Der Fünf-Uhr-ICE, der einstmals und leider nur für kurze Zeit Trier mit der Hauptstadt verbunden hat - er verschwand still und leise. Ältere Menschen, für die das Umsteigen eine Hürde ist, meiden die Bahn unter den neuen Bedingungen; diejenigen, die Wert auf eine schnelle Verbindung legen und es sich nicht leisten können, bereits in Koblenz für 35 Minuten auf dem Abstellgleis zu stehen, ebenso. Doch schon sind die nächsten Einschnitte terminiert - und diese nicht nur für die Urlaubszeit. Wollen wir uns das wirklich gefallen lassen? Claudia Winter, Trier

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