Bildung

Zum Artikel "Rot-grüne Landesregierung will das Sitzenbleiben abschaffen" (TV vom 19. Februar) diese Meinungen:

Es hat lange gedauert, bis sich in Regierungskreisen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Sitzenbleiben ein alter Hut ist. Denkt man an die seelischen Verletzungen eines Kindes durch diese "Strafe": Es wird aus dem Klassenverband herausgerissen, in einem Alter, wo gerade diese soziale Gemeinschaft für Kinder wichtig ist, unter Umständen verhöhnt von den alten oder (und) neuen Klassenkameraden. Mit dem Gefühl eines Versagers oder dem Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Wie soll ein Kind da Mut fassen? Die Ursachen des Versagens könnten ja auch im häuslichen Umfeld liegen oder an mangelnden pädagogischen Fähigkeiten der Lehrer. Sinnvoll wäre die Bildung der Kinder in einer fortlaufenden Schulzeit, in festem Klassenverband, bis ein, zwei Jahre vor dem Abitur, so dass alle Kinder denselben Lehrstoff vermittelt bekommen und am Ende ihrer Schulzeit "gebildet" sind. Gleichzeitig wäre das Abschaffen von Zahlenzeugnissen sinnvoll. Lieber eine Beurteilung in Worten, wo die Stärken beziehungsweise Schwächen in den einzelnen Fächern liegen. Dies würde vielmehr über die Fähigkeiten des Kindes aussagen. Brigitte Arndt, Wallenborn Als betroffener Vater von zwei Kindern konnte ich bisher Folgendes feststellen: Es vergeht kaum ein Tag, an dem keine Schulstunden ausfallen. Die gleiche Landesregierung, die nicht genügend Lehrer einstellt, um die Unterrichtabdeckung zu gewährleisten, will also in Zukunft "gezielt differenziert und individuell" fördern? Vielleicht mit einer Ausweitung der "prekären" Arbeitsverhältnisse für befristete Lehrer? Arbeitsminister Schweitzer: "Unternehmen (...) müssen ihrer Verantwortung für menschenwürdige und faire Arbeitsbedingungen gerecht werden." Zum Glück sind Schulen ja keine Unternehmen ... Dabei ist die Sache doch so einfach: Liebe Landesregierung, beweist doch einfach einmal Mut. Schafft nicht das Sitzenbleiben ab. Oder die Hauptschule, die Kopfnoten - schafft doch einfach alle Noten ab! Noten schaden sowieso. Den armen, stressgeplagten Kindern. Den Migranten. Den Kindern ohne Chancengleichheit. Den geistig Behinderten. Denen, die kein Deutsch können. Denen, die keinen Bock auf Schule haben. Dann hat sich die Sache mit dem Sitzenbleiben von selbst erledigt. Und mit der Inklusion auch. Und so bekommt auch jeder garantiert sein Abitur! Und dann kann auch der letzte Depp seinen Uni-Abschluss machen - damit hätten wir dann die höchste Akademikerquote in Deutschland. Da sollen die Bayern mal schön gucken! Und wenn es dann mit neuen Indus trieansiedlungen und Arbeitsplätzen nicht mehr klappt - Schwamm drüber. Rheinland-Pfalz war schon immer ein Agrarland. Und die dümmsten Bauern ... tja, die sitzen übrigens bei uns in Mainz und verdienen viele dicke Kartoffeln dafür, dass sie anscheinend keine Ahnung haben. Deutschland, das Land der Dichter und Denker? Das war wohl mal! Thomas Dubois, Nittel Hier wird der zweite Schritt vor dem ersten gemacht: Erst muss es mehr individuelle Förderung geben, dann kann das Sitzenbleiben abgeschafft werden. Vor allem an Gymnasien gibt es viel zu wenig pädagogische Hilfen nach dem Motto "wer nicht klarkommt, kann ja an die Realschule wechseln". Private Schulen und Internate zeigen, dass Förderung funktioniert, etwa mit zusätzlichen Lern-, Wiederholungs- und Vertiefungsstunden am Nachmittag. Erfolge wird man nur haben mit mehr Lehrern, mehr Geld und pädagogischer Begleitung für alle Schulformen. Annette Hupperich, Trier Ich stimme der Auffassung der Landesregierung absolut zu! Allerdings sollten dann auch die Ressourcen, sprich genügend Planstellen, geschaffen werden. Zur Finanzierung denke ich da an eine Bildungsabgabe im Rahmen einer Vermögenssteuer. Achim Ochs, Traben-Trarbach Ich verfolge die bildungspolischen Diskussionen und Entwicklungen sehr intensiv und tausche mich darüber mit vielen Menschen aus. Sie schreiben: "Eltern und Schüler sind einhellig dafür." Diese Erkenntnis hat mich doch ein wenig überrascht. In meinen Gesprächen konnte ich keinerlei Tendenz einer Mehrheitsbildung für das Abschaffen des Sitzenbleibens erkennen. Vielleicht sollte Landeselternsprecher Merod ein dataillierteres Meinungsbild der Eltern einholen. Und: Wer hat die Schüler befragt? Sitzenbleiben ist für Regionalelternsprecher Schladweiler eine "unnötige Beschämung" junger Menschen. Beschämung ist sicherlich ein passendes Wort. Allerdings sollte unsere Gesellschaft es als "Beschämung" empfinden, was einige Schüler an motivations- und respektlosem Verhalten in manchen Unterrichtsstunden an den Tag legen. Hier könnte man mal eine Kostenrechnung aufstellen, wie viele wertvolle Unterrichtsressourcen dadurch verloren gehen und diese im Nachhinein den schwächeren, aber auch den leistungsstarken Schülern fehlen, um sie entsprechend zu fördern und zu fordern. Peter Quint, Osburg Zurzeit besuche ich die zehnte Klasse des Gymnasiums Traben-Trarbach, und das Thema "Sitzenbleiben abschaffen: ja oder nein?" wurde im Laufe des Tages, an dem der Artikel erschienen ist, unter uns Schülern immer wieder diskutiert. Dabei fiel mir auf, dass kein einziger, wie in ihrem Artikel behauptet, für die Abschaffung war. Im Gegenteil, die meisten vertraten die Ansicht, dass vor allem die Klassenkameraden des versetzungsgefährdeten Schülers im Endeffekt unter der Entscheidung, ihn trotz mangelhafter Leistungen zu versetzen, leiden würden. Die ganze Klasse wird ja letztendlich von diesem Schüler ausgebremst, der somit den weiteren Lernerfolg seiner Klassenkameraden einschränken würde. Folglich könnte das Niveau der ganzen Klasse sinken. Außerdem würde im Grunde jeder die mittlere Reife durch den Abschluss der zehnten Klasse auf dem Gymnasium ohne große Mühe erreichen. Wäre damit der eigentliche Sinn eines Gymnasiums nicht völlig verfehlt? Außerdem kann ich aus Erfahrung behaupten, dass die meisten "Sitzenbleiber" vorher aus Faulheit oder unangebrachtem Verhalten aufgefallen sind. Wenn sich ein Schüler ernsthaft bemüht und fleißig lernt, haben unsere Lehrer noch immer nach einem Weg gesucht, den Schüler doch noch zu versetzen. Anna Röhl (16 Jahre), Kröv Den Kommentar von Julia Klöckner, es käme ja auch niemand auf die Idee, den Abstieg aus der Bundesliga zu verbieten, finde ich unglaublich. Wenn Frau Klöckner den Unterschied zwischen Kindern und Fußballprofis nicht kennt, sollte sie ihr Praktikum besser in der Jugendhilfe absolvieren statt im rheinland-pfälzischen Landtag! Joachim Bell, Trier Da ich wesentlich stärker dazu neigte, Fußball zu spielen als Vokabeln zu lernen, hätte ich die siebte Klasse wiederholen müssen. Ich verließ das Gymnasium und begann (ohne Schulabschluss) eine Ausbildung. Nachdem mir klar war, dass ich in dem erlernten Beruf nicht arbeiten wollte, holte ich über den zweiten Bildungsweg die mittlere Reife und das Fachabitur nach und studierte später erfolgreich an der Fachhochschule und der Universität. Sitzenbleiben hätte meine Grundeinstellung zum Lernen nicht verändert, erst meine Erfahrungen im Berufsleben führten zu einer anderen Einstellung. Roland Jung, Saarburg Ich gewinne den Eindruck, dass die Darstellung der Diskussion hauptsächlich auf den Aspekt "Beschämung" abhebt. Das wird durch das ausgewählte Foto unterstrichen. Und ganz klar: Das Sitzenbleiben muss sofort das Manko des Beschämtseins verlieren. Dazu finde ich die fünf Fotos prominenter Sitzenbleiber einen guten Gegenpol. Eine Reihe von Zahlen werden beigebracht, wie viele Schüler sitzenbleiben, wie viel das kostet. Leider vermisse ich eine Angabe darüber, wie viele Schüler mit einem zusätzlichen Schuljahr denn viel besser in der Schule klarkommen. Da lese ich nur die globale Einschätzung des VBE: "nicht signifikant." Eine grundlegende Bildungsreform (in einer sich ständig verändernden Welt ...) ist absolut erforderlich. Wie kann es sein, dass normal-durchschnittliche Schüler sich bereits ab den ersten Schuljahren langweilen, weil sie die ersten Lernziele bereits nach wenigen Wochen erreichen, während Mitschüler sich mit den grundlegenden Kenntnissen und Fähigkeiten des Lesens, Schreibens, Rechnens ausgesprochen schwertun? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kindern regelrecht verboten wird, "vorzuarbeiten" - wie es heißt, sich mit dem Lernstoff zu beschäftigen, der ihnen Spaß macht, müsste es aus ihrer Sicht heißen. Es müsste viel mehr die Möglichkeit geben, die Grundschule beispielsweise schon nach drei oder auch erst nach fünf Jahren abzuschließen, weil die Lern-Anfangsvoraussetzungen derart unterschiedlich sind. Gleichzeitig müsste diese unterschiedliche Verweildauer aber jeden Eindruck von Beschämung verlieren. Clemens Ruhl, Vater von zwei Schulkindern, Prüm

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