Tiere Bitte nicht so tun, als wäre das überraschend

Zu diversen Artikeln und Leserbriefen über die Rückkehr des Wolfs in die Region schreiben Marcel Palms, Robert Seidenath, Joachim Schröder und Harald Lobüscher:

Ich finde es sehr bedenklich, wenn ein Tierarzt behauptet, der Wolf „gehöre nicht in unsere Kulturlandschaft“, oder wenn schon jetzt Rufe wie „sofern er ein problematischer Einzeltäter sei, müsse er lokalisiert und irgendwie unschädlich gemacht werden“ zu hören sind.

Zum einen gehört der Wolf sehr wohl in unsere Kulturlandschaft – er war schließlich schon vor uns hier und wäre nie verschwunden, wenn wir ihn nicht ausgerottet hätten – und zum anderen tun offenbar nun alle so, als sei das Tier ganz plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, hier in unserer Umgebung aufgetaucht. Dabei wurde vor nunmehr acht Jahren der erste Wolf im Westerwald nachgewiesen. Und im Jahr 2015 wurde vom Land Rheinland-Pfalz ein Managementplan für den Umgang mit Wölfen auf die Beine gestellt, der ausdrücklich auf Möglichkeiten zum Schutz hinweist, die sogar gefördert werden.

In den letzten Jahren gab es immer wieder bestätigte Wölfe in und um Rheinland-Pfalz herum. Dennoch hielten es die Eigentümer der Weidetiere nicht für nötig, die bereitgestellten Fördermöglichkeiten des Landes in Anspruch zu nehmen oder sich entsprechend auf den Wolf vorzubereiten. Weder die Elektronetzzäune noch die Herdenhunde sind hier sonderlich verbreitet, obwohl die „Gefahr“ nur allzu bekannt und nah war.

Und nun, da er hier ist, ist der Aufschrei groß, als käme das Tier völlig aus dem Nichts und träfe alle komplett unvorbereitet.

Zu behaupten „Deutschland ist kein Wolfsland“ ist nicht nur falsch, schürt auch unnötig die Vorbehalte, die viele Menschen, bedingt durch Fehlinformationen, diesen Tieren gegenüber haben. Noch immer sind die Geschichten von Wölfen, die Großmütter fressen, genauso in den Köpfen der Menschen wie die von Vampirfledermäusen und schwarzen Katzen, die Unglück bringen. Der Wolf hat jedes Recht, in unseren Gefilden zu leben, und seine positive Auswirkung auf die hiesigen Wälder und Wildbestände ist hinreichend nachgewiesen.

In den Reaktionen auf den Neuankömmling zeigt sich leider erneut, dass man es dem Menschen einfach nie recht machen kann: Einerseits schreien die Land- und Forstwirte nach einer drastischen Reduzierung der Schwarz-, Reh- und Rotwildbestände, andererseits wollen sie aber auch deren natürliche Feinde schnellstmöglich wieder loswerden.

Inzwischen dürften auch die Letzten gemerkt haben, dass die meisten Probleme, vor die der Mensch in der Natur gestellt wird, durch sein eigenes, übereifriges Handeln verursacht worden sind.

Marcel Palms, Rommersheim

Michael Horper, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, behauptet in einem der Volksfreund-Beiträge zum Thema, den Wolf zu mögen, allerdings mit einem gewichtigen Aber: „Aber wir müssen entscheiden: Wollen wir den Wolf oder die Nutztierhaltung?“.

Diese falsche Alternative hat schon einmal zur Ausrottung der Wölfe in Deutschland geführt, und Herrn Horpers Entscheidung in dieser Sache ist leicht vorstellbar. Er ignoriert, dass nur ungeschützte Weidetiere – und nicht Nutztiere generell – durch hungrige Wölfe, aber noch mehr durch freilaufende große Hunde, gefährdet sind, er ignoriert auch, dass Weidevieh durch Zäune, Herdenschutzhund oder Esel vor Wölfen geschützt werden kann, und es scheint ihn auch nicht zu interessieren, dass die Landwirtschaft – immerhin ist er ja Bauern- und Winzerverbandspräsident – durch Reduzierung der überhöhten Schwarzwildbestände sogar einen direkten Nutzen von den Wölfen hätte.

Für den Wald ist Herr Horper ohnehin nicht zuständig, weshalb für ihn der Nutzen des Waldes von den Wölfen durch Reduzierung der ebenfalls stark überhöhten Rot- und Rehwildbestände offenbar ebenso wenig von Bedeutung ist.

Und für den positiven Einfluss der Wölfe auf die Artenvielfalt und auf den gesamten Naturhaushalt interessieren sich ja auch nur Naturschützer und allenfalls noch ein paar verantwortungsvolle Jäger.

Eine friedliche Koexistenz von Menschen samt ihren Nutztieren mit den Wölfen aber ist möglich: Es liegt nur an uns.

Robert Seidenath, Gusterath

Ich habe mir lange überlegt, ob ich diesen Leserbrief schreiben soll, aber letztlich berief ich mich auf meine ureigene Meinungsfreiheit und tue diese auch kund. Dass es Kritik geben wird, ist bewusst mit einkalkuliert.

Vorab: Jedes Tier auf dieser Welt hat sein Lebensrecht! Auch der Wolf. Nochmals: jedes Tier – selbst die Schnake, die mich täglich ärgert. Viel zu lange mussten sich Menschen in der Vergangenheit bei uns – in diesem Fall spreche ich von Bauern in der Eifel – vor Wölfen schützen. Jahrhundertelang wurden die Ernährer der Familien, also die Nutztiere, von Wolfsrudeln grausam heimgesucht und die Existenz der Menschen brutal gefährdet oder gar vernichtet.

Das Klischee vom Wolf, der sogar den Mond „anheult“, möchte ich hier nicht bemühen. Aber dass er als „Werwolf“ (symbolisch) und gefürchtetes Raubtier stets eine Gefahr darstellte, ist unbestritten. Die Literatur gibt hierzu viel her.

Zur Gegenwart: Nach den Meldungen der letzten Tage ist der Wolf also nun unmittelbar vor unserer Stalltür angekommen. Ich wünsche keinem Landwirt, dass er seine Tiere verliert. Zu dem materiellen Schaden käme auch der menschliche „Schaden“, also der Umgang mit der Folge, der wütend macht. Warum brauchen wir diesen Wolf erneut hier – bewusst angesiedelt?

Und die Zukunft? Ich will mir nicht ausmalen, was noch geschehen könnte. Aber in der Folge meiner Wut kreiere ich einige Beispiele – hoffentlich mögen diese Fälle nie eintreten.

Erst fällt der Wolf in das Gehege des Eifelzoos in Lünebach ein und macht sich hier über Lamas, Ziegen und Enten her. Abgesehen von dem endlosen Leid der Tiere würde das einen weiteren schweren Rückschlag für den Zoo bedeuten, der gerade mal wieder „auf die Beine kommt“.

Weiter ließe sich spekulieren: Auf dem Eichelberg in X oder dem Tonnenberg in Y spaziert eine Kita-Gruppe mit Betreuerinnen und denkt an nichts anderes als an eine schöne Natur mit all ihren Sommerangeboten und Verlockungen.

Oder eine Joggerin macht gerade im A-Tal ihre Entspannungsübungen im Wald bei P.

Ich mag mir das alles nicht vorstellen. Weiß auch nichts. Eines weiß ich aber: Wenn das erste Kind ein Opfer des Raubtiers wird, ist der Aufschrei nicht mehr aufzuhalten. Dann hat auch die Politik versagt.

Joachim Schröder, Pronsfeld

Der Wolf hat mal wieder „gerissen“, lesen wir zur Zeit fast täglich in der Zeitung, wobei das Wort „reißen“ den Tatbestand treffend beschreibt.

Wenn wir uns um Akzeptanz für Raubtiere – von den heimischen bis hin zu den Großkatzen Afrikas – bemühen, haben wir, besonders im Gespräch mit Kindern, einleuchtende Argumente. Raubtiere töten nicht aus Mordgier, sondern weil sie Hunger haben und ansonsten verhungern müssten. Wenn aber, wie vergangenes Jahr im Nordosten unseres Landes geschehen, Wölfe in einer Nacht 40(!) gerissene Schafe auf einer Weide hinterlassen, fehlen einem einfach die Worte.

Wenn man diese Wolfsgeneration mit menschlichen Begriffen bewertet, so fehlt ihr jegliche ethisch-moralische Grundlage, Mitglied unserer heimischen Tierwelt zu werden.

Für unsere Kinder stellt sie sich noch schrecklicher dar als in Grimms Märchen.

Harald Lobüscher, Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort