Politik Bodenlose Ungerechtigkeit

Zu den Artikeln „Bürger in der Region protestieren gegen Straßenausbaubeiträge“ und „Schon die Römer stritten über marode Straßen“ sowie zum Kommentar „Frecher Zwischenruf“ (TV vom 21. Juni) schreiben Margit Palm, Herbert Daufenbach, Georg Steppuhn, Martin Marx und Tom Konz:

Es ist an der Zeit, dass Gesetze, die lange überholt sein dürften, aufgehoben werden und – dem Bedarf und vor allem der Gerechtigkeit geschuldet – angepasst werden.
Die bisherige Regelung, wonach der Ausbau der Straßen auf dem Rücken der Häuslebauer geschieht, ist eine bodenlose Ungerechtigkeit. Eine Ungezogenheit; das als „Einzelfall“ abzutun, wie es bei der Anhörung aus dem Regierungslager zu vernehmen war.
Wer so etwas sagt, hat möglicherweise keine Ahnung davon, was man alles zahlt, bevor ein Stein auf den anderen gesetzt wird und ein Haus entsteht. Erschließungskosten, Grunderwerb, Grundsteuer, Beurkundungen, Versicherung sind nur einige Beispiele. Vielleicht hat man auch kein Auge dafür, dass nicht nur die Hausbesitzer die Straßen nutzen. Alle Menschen haben nun einmal die doofe Angewohnheit, dass sie essen müssen, Wasser, den Kanal und Strom benötigen, vor ihrer Türe gefegt wird, die Müllabfuhr regelmäßig ihren Dreck entsorgt, sie möglicherweise auch mit dem Bus fahren oder ein eigenes Auto nutzen.

Dieses alles sind normale Bedürfnisse, doch das erfordert, dass eine geregelte Infrastruktur vorhanden ist, ohne diese die Versorgung ganz schnell zusammenbricht.
Und wo und für wen findet das alles statt? Auf unseren Straßen! Und für uns Bürger – alle – und ohne Ausnahme. Also warum sollen allein die Hausbesitzer für den Ausbau der Straßen verantwortlich sein, wo diese doch von allen Menschen genutzt und auch für alle Menschen notwendig sind?
Ich plädiere für das System der wiederkehrenden Beiträge, so wie einige Bundesländer bereits verfahren.

Und sollte die süffisante Anmerkung von Günter Beck, grüner Bürgermeister und Finanzdezernent von Mainz, dass „lediglich 0,05 Prozent  aller Anwohner Widerspruch gegen den Bescheid“ einlegen, Anstoß geben, so empfehle ich hier und jetzt eine Sammelklage, der ich mich gerne anschließe. Wer hat schon alleine die Mittel für eine Privatklage gegen das Land?

Man könnte auf den Gedanken kommen, anstatt für Vorsorge im Alter Verantwortung zu tragen, doch lieber öfter Urlaub zu genießen und später das Sozialamt um Hilfe zu bitten. Diesen Denkanstoß möchte ich auch unserer Ministerpräsidentin mit auf den Weg geben.

Margit Palm, Trier

Der Chef der Jungen Liberalen, Luca Lichtenthaler, scheint nicht zu begreifen, dass er mit seinen Ansichten bei den nächsten Wahlen mit seiner Partei schon frühzeitig in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, bevor seine angestrebte Karriere überhaupt begonnen hat.

Ich glaube nicht, dass die Vielzahl der Betroffenen von Straßenausbaubeiträgen das bei der nächsten anstehenden Wahl in Rheinland-Pfalz vergessen wird. Und ich glaube nicht, dass die Großspurigkeit von Herrn Lichtenthaler dann vergessen ist. Die betroffenen Wähler haben ein Gedächtnis, das dann bestimmt noch funktioniert.

Herbert Daufenbach, Wittlich

Recht so, Rainer Brüderle. Wir können nicht von diesen 600 Millionen Euro ausgehen; keinem Zerfall des kommunalen Straßennetzes, so der Gemeinde- und Städtebund orakelt. Und, meine Herren Lichtenthäler, Beck, Spiegler und Thielmann, hier weitere Fakten:

Keiner spricht über die von uns Autofahrern zu zahlende KFZ-Steuer. Hieß früher mal: Straßenbenutzungsabgabe. Tatsächlich kommen über die KFZ-Steuer, die Mineralölsteuer und Ökosteuer und die LKW-Maut genug Einnahmen zusammen, um die Sanierungen zu bezahlen. Mehr als 50 Milliarden Euro durch uns Autofahrer. Steuern für Ausbau und Unterhaltung der Straßen. Von diesen Einnahmen wird jedes Jahr nur ein kleiner Teil für den Straßenbau verwendet. Eine Zweckbindung gibt es nicht. Heißt letztlich: Milliarden in „andere Töpfe“. Die Kuh „Bürger“ kann man gerne weiter melken. Gerne auch doppelt und dreifach für die Straßen. Die unbestritten desolaten Zustände sind gewollt und künstlich herbeigeführt worden. Jetzt müssen wir zum Beispiel in Züsch im Hochwald (sieben Anlieger) für unsere 95 Meter lange Straße zwischen 10 000 und 30 000 Euro zahlen.

Und Hans-Joachim Driehaus – der „Straßenausbaubeitragspapst“! Genau so alt wie die Römer sind die Ansichten von Driehaus, ergo: Genau so vermodert die gesetzlichen Vorgaben, die er liefert! Steigerung des Grundstückwertes: lachhaft! Wer – und hier soll mir nur eine einzige Person benannt werden – zahlt mir für mein Grundstück in Züsch (oder sonst wo) auch nur einen Cent mehr, wenn die Straße gemacht ist? Gerade im ländlichen Raum, wo die Leerstände groß sind, ist man froh, wenn eine Immobilie überhaupt an den Mann oder an die Frau gebracht werden kann.

Abschließend ein seltsames Zusammenspiel. Die Gartenstraße in Züsch und weitere Straßen im Land wurden wohl gerade zu dem Zeitpunkt „abgestuft“, „umgewidmet“, als auch die Anträge auf Erneuerung, Sanierung gestellt wurden! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Nun denn: Die Römerzeit kann man heute ganz besonders noch in Trier bewundern: lauter Ruinen ...

Georg Steppuhn, Züsch

Viele sprechen davon und mutmaßen, dass erst in der nächsten Legislaturperiode des Landtages Rheinland-Pfalz ab 2021 die Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden. Warum also das Thema mit in den Wahlkampf nehmen, wenn es jetzt schon möglich wäre, vergleichbar mit vielen anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen (2019), Bayern (2018), Hamburg (2016), Berlin (2012) und Baden-Württemberg (noch nie erhoben), die Straßenausbaubeiträge gänzlich abzuschaffen.

Mein Appell an die Landesregierung: Lasst eure parteipolitischen Fesseln endlich fallen und schafft die Straßenausbaubeiträge jetzt rückwirkend zum Januar 2018 ab. Es bringt nichts, noch bis zum nächsten Wahlkampf zu warten. Denn eines wäre jetzt schon so gut wie klar, dass jene Parteien, die dann noch auf den Beibehalt von Straßenausbaubeiträgen setzen, höchstwahrscheinlich deutlich an Akzeptanz bei den Wählern verlieren werden. Es ist ein reines Politikum, welches das Wohl der Bürger gänzlich außen vorlässt.

Straßenausbaubeiträge – einmalige oder wiederkehrende – gibt es sowohl als Kann- als auch als Soll-Regelung ebenso in anderen Bundesländern. Eine Kann-Regelung gilt neben Hessen derzeit in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern müssen Beiträge erheben. Doch in allen Bundesländern ist die Abgabe umstritten und mittlerweile Gegenstand politischer Diskussionen.

In Rheinland-Pfalz ist die rot-gelb-grüne Landesregierung noch nicht bereit, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. In Nordrhein-Westfalen hat hingegen die SPD-Fraktion im November 2018 beschlossen, dass sie die Beiträge abschaffen will. Das Land soll die Kosten übernehmen. Auch mehr als 42 000 Bürger haben sich mit einer Petition für die Abschaffung ausgesprochen. Die schwarz-gelbe Landesregierung will die Straßenausbaubeiträge beibehalten. Sie will jedoch über eine Novellierung der Regelungen nachdenken. Aktuell gilt eine sogenannte Soll-Regelung. Die Städte und Gemeinden sind also dazu angehalten, Straßenausbaubeiträge zu erheben.

Die Möglichkeiten von Stundung und Ratenzahlungen können die generelle Problematik der starken finanziellen Belastung von Grundstückseigentümern nicht beseitigen. Die viel propagierte Eigentumsbildung bei jungen Familien, gerade auch im Hinblick auf die Altersvorsorge, bleibt vollends auf der Strecke. Stundungen und Ratenzahlungen führen kaum weiter, weil sie mit drei Prozent über dem Basissatz zu verzinsen sind und damit die Belastung erhöhen. Ein Erlass aus Billigkeitsgründen (§ 223 Abgabenordnung) scheidet grundsätzlich aus. Grundstückseigentümer ohne Mieteinkünfte können die Straßenausbaubeiträge aber steuerlich weder als Werbungskosten zur Anrechnung bringen noch können sie sie als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigen. So der Landesverband der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer von Rheinland-Pfalz.

Martin Marx, Lampaden

In Farschweiler im Kreis Trier-Saarburg wird derzeit eine Straße saniert. Dort trifft es einige Bewohner sehr. Manche sollen (vorerst geschätzt) eine Summe von 30 000 Euro zahlen. Die dortigen Anwohner sind alle mittelständisch und Durchschnittsverdiener. Es ist kaum möglich, diese Summen zu tilgen, ohne dass man einen Kredit aufnehmen muss. Was macht man, wenn man keinen Kredit bekommt, etwa aufgrund von hohem Alter, bereits vorhandenem Kredit oder eventuell Schulden? Damit soll gezeigt werden, dass die Probleme auch im Hochwald bestehen und nicht nur in der Stadt Trier. Die zuständige Verbandsgemeinde Ruwer hat noch keine genaue Auskunft gegeben, wie viel jeder zu zahlen hat. Dies soll erst nach Abschluss der Arbeiten geschehen.

Tom Konz, Oberemmel

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