Leserbriefe Bravo! Bravissimo! Wäre da nicht ...

Zum Artikel „Hohe Erwartungen an Merkel & Co.“ (TV vom 13. März) und weiteren Berichten zur neuen Groko schreiben Prof. (i.R.) Dr. Wolfgang Sendler, Konrad Theis und Reinhold Ritter:

Wer den Koalitionsvertrag gelesen hat, wird vermutlich ziemlich schnell die Erwartungen runterfahren. Das 179 Seiten lange Papier ist eine Ansammlung schwammiger, unverbindlicher wie unsubstanziierter Absichtserklärungen, stellenweise bereichert um groteske Widersprüchlichkeit: Wer beispielsweise seine Klimaziele kleinlaut reduzieren muss, andererseits aber der EU eine internationale Vorreiterrolle beim Klimaschutz (Seite acht des Vertrages) verordnet sowie verstärkten Klimaschutz als Migrationsbremse ins Auge fasst (Seite 15), muss schon einen verklärten Blick auf die eigenen Möglichkeiten haben.

In einem Punkt aber ist der Vertrag erschreckend konkret und eindeutig: Auf Seite 177 kann man lesen „Wir stärken die Entscheidungsfindung in Bundestag und Bundesrat“ (bravo!) sowie „Wir wollen den Bundestag wieder zum zentralen Ort der gesellschaftlichen und politischen Debatte machen“ (war er das bisher denn nicht? Egal: bravissimo!). Noch auf derselben Seite steht dann der Satz „Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“ Wie bitte?! Zur Erinnerung: Im Grundgesetz Artikel 38 heißt es unter Abs. (1): „Sie [die Abgeordneten, Anm. des Autors] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Nun ist Fraktionsdisziplin als Instrument einer geordneten Willensbildung im Parlament zweifellos nützlich. Wenn aber Parteien bestimmte Mehrheitsbildungen qua Vertrag von vornherein ausschließen, schaffen sie damit die im Grundgesetz verbriefte Gewissensentscheidung des Abgeordneten ab. Ist es das, was Angela Merkel unter „stabiler Regierung“ gemeint hat? „Hohe Erwartungen“ an Politiker, die solches unterschreiben? Eher nicht. Befürchtungen hingegen schon.

Prof. (i.R.) Dr. Wolfgang Sendler, Trier

Die neue Regierung sollte sich nach dem Wunsch der Wirtschaft und der Bevölkerung des Großraumes Trier von der Mautgebühr für PKW verabschieden, da sie im Besonderen in den Grenzregionen zu hohem Schaden für die heimische Wirtschaft führt. Viele Besucher aus Luxemburg, Belgien und Holland, die die Maut nicht zahlen wollen, werden nicht mehr kommen oder stattdessen Bundesstraßen/Landstraßen benutzen, was wiederum zu Staus führt und der Region nur Nachteile bringt.

Weiterhin hoffe ich, dass der Moselaufstieg, den der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster mit dem bisherigen Verkehrsminister Alexander Dobrindt auf die Prioritätenliste des Bundes platziert hat und der von vielen Anwohnern wegen des Raubbaus an der Natur in der vorgesehenen Variante abgelehnt wird, so nicht verwirklicht wird. Wenn überhaupt ein Moselaufstieg nötig ist, sollte er nicht zwischen Trier-Zewen und Igel verlaufen, wo eine sehr große, ökologisch wertvolle Waldfläche abgeholzt werden müsste, sondern zum Beispiel zwischen Temmels, halber Höhe bergseitig, und Mertert Hafen (auf Luxemburger Seite), wo bereits eine Autobahnauffahrt besteht. Luxemburg würde sich an den Kosten beteiligen. Selbstverständlich müsste vorher eine für die Bewohner von Oberbillig annehmbare Lösung der Ortsdurchfahrt (ähnlich der Bahn) gefunden und realisiert werden.

Die neue Bundesregierung hat ja angekündigt, dass in dieser Legislaturperiode wieder Politik für die „kleinen Leute“ gemacht werden soll. Am Ende wird man sehen, ob sich unsere Hoffnungen zumindest teilweise erfüllen.

Konrad Theis, Trier

Nun ist die Komödie in Berlin endlich beendet, und die Volksverdummung Groko II beginnt.

Der Komödie erster Teil: Nach der Wahl am 24. September 2017 legte sich Schulz sofort fest, keine Groko, und alle im Willy-Brandt-Haus jubelten (Teil der Inszenierung?). Dann sollte eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen gebildet werden. Dass dies nicht funktionieren würde, war nach meiner Auffassung den handelnden Personen von CDU/CSU glasklar. Man musste dem Volk ja etwas bieten und so tun, als würde man alles versuchen. Das Ergebnis kennen wir. Versuchen Sie mal, Wasser und Feuer zusammen in einen Ascheneimer zu geben.

Der Komödie zweiter Teil: Präsident Steinmeier forderte die Parteien auf, zum Wohle des Volkes zusammenzuarbeiten, besonders auf die SPD, so schien es, wurde Druck gemacht. Vergessen darf man nicht die Medien, allen voran die Zeitung mit den vier Buchstaben, und auch dieser Teil war nach meiner Auffassung inszeniert. Genau zu diesem Zeitpunkt muss man das Versagen von Schulz ansiedeln, wäre er ein ehrlicher, glaubwürdiger SPDler, hätte es nur eine Reaktion von ihm geben dürfen, nämlich: mit mir keine Groko!

Das Tempo der Sondierungen  und Verhandlungen lässt nur einen Schluss zu: Das war genau so geplant. Mittlerweile hat man Schulz, leider ist er auch nicht ganz unschuldig daran, in eine Situation gebracht, durch die man ihn entsorgen konnte, mit dem Verweis, er habe gute Arbeit geleistet und jede Menge Blabla. Die Strippenzieherin des ganzen Schmierentheaters sollte sogleich zur kommissarischen Vorsitzenden ausgerufen werden, hier aber kam zum ersten Mal leiser Unmut der Sozis auf, man ruderte zurück und installierte Scholz als geschäftsführenden Vorstand.

Den Sozis geht es um Pöstchen und  Macht, soziale Gerechtigkeit spielt keine Rolle mehr – und das soll die Erneuerung der SPD sein?! Der Groko-Vertrag besteht zu großen Teilen aus Absichtserklärungen. Aber wie man bei dem Mitgliedervotum gesehen hat, können die Genossen sich auf ihre gleichgeschaltete Basis immer wieder verlassen.

Der Komödie dritter Teil: Das Postengeschacher, Angela Merkel geht es nur noch um die Kanzlerschaft, das hat die Vergabe der Ministerien an eine 20-Prozent- und Sechs-Prozent-Partei eindeutig gezeigt, und darüber braucht man keine Worte verlieren. Altersarmut, Infrastruktur, Polizei, Pflegenotstand und so weiter. Aber wie sagte Mutti Merkel: Deutschland geht es gut. Das ist richtig, ihrer Klientel bestimmt.

Reinhold Ritter, Irsch

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