Cowboyhaftes Herumholzen

Zur Debatte um den Luftschlag in Afghanistan:

Ein deutscher Obrist hat die Bombardierung zweier von Taliban entführter Tanklaster angeordnet, und natürlich ist zu untersuchen, ob dieser Angriff verhãltnismäßig war. Zugleich muss überprüft werden, ob die Entscheidung des deutschen Offiziers nach seiner Lagefeststellung vertretbar war. Einen solchen Befehl hernach aus dem heimischen Schreibtischsessel zu kritisieren, ist zu billig und daher unzulässig.

Unabhängig vom ausstehenden Untersuchungsergebnis kann einem angesichts der Reaktion einiger Verbündeter, insbesondere der französischen, schwedischen und Luxemburger Außenminister und des Verhaltens des US-Generals McChrystal angst und bange werden. Welch ein ,,Haufen" ist aus der Nato geworden, dass die einzufordernde Solidarität (militärisch: Kameradschaft) nicht einmal ausreicht, wenigstens so lange die Klappe zu halten, bis ein Ermittlungsabschluss vorliegt. Besonders ärgerlich erscheint mir der große Verbündete von jenseits des Atlantiks. Dessen General und Isaf-Oberbefehlshaber Stanley McChrystal brachte gleich einen Reporter der "Washington Post" nach Kundus mit, der anstelle des Generals die Entscheidung des deutschen Obersten und die Kampfführung der deutschen Truppen in Nordafghanistan verriss. Und ohne nãhere Kenntnisse sprach der US-General außer von getöteten Taliban auch von zivilen Opfern. Schlimmer noch: Als in Washington die Obama-Administration die Macht übernommen hatte, wurde von dort aus eine neue Vorgehensweise gegen die Taliban befohlen - "Kollateralschäden" (tote und verletzte afghanische Zivilisten) vermeiden. Prompt erließ der Isaf-Oberbefehlshaber McChrystal eine gleichlautende Anweisung. Also wird die Isaf nur aus Washington gesteuert. Das heißt, bei nãchster Gelegenheit kann es wieder in die Gegenrichtung gehen, also zum cowboyhaften Herumholzen. Und trotz der jetzt vorsichtigeren Kampfführung besteht das US-geführte Gefangenenlager Baghram weiter, in dem die Zustände denen von Guantánamo entsprechen sollen, in dem willkürlich des Terrorismus verdächtigte Personen festgehalten werden.

Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, sich die Verbündeten, mit denen man in einem Boot sitzt, etwas genauer anzusehen. Und vermutlich sollte Deutschland den Verbündeten, die jetzt so eilfertig die Kritikasterkeule schwingen, anbieten, die deutschen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, um das Problem Afghanistan den "wirklichen Fachleuten" zu überlassen.

Wolf-Rüdiger Wulf, Trier

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