Cybermobbing ist kein Kavaliersdelikt

Saarbrücken · Zwischen 25 und 30 Prozent der 8- bis 18-Jährigen in Deutschland sind schoneinmal Opfer einer Mobbing-Attacke im Internet geworden - Tendenz zunehmend. Doch was genau ist Cybermobbing und was können Lehrer und Eltern dagegen tun?

 Gewalt im Internet und im realen Leben sind oft miteinander verknüpft. Wer auf dem Schulhof mobbt, tut dies oft auch im Internet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Foto: Nummer gegen Kummer

Gewalt im Internet und im realen Leben sind oft miteinander verknüpft. Wer auf dem Schulhof mobbt, tut dies oft auch im Internet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Pädagogischen Hochschule Thurgau. Foto: Nummer gegen Kummer

Saarbrücken. Wer andere im Internet mobbt, tut das meist auch im wahren Leben. "80 Prozent der Cybermobber sind auch auf dem Schulhof Mobber", betont Catarina Katzer, die zu den führenden Forschern auf dem Gebiet des Cybermobbings gehört. Außerdem könne man beobachten, dass reale und digitale Gewalt zunehmend miteinander verknüpft würden. Der Fall der Kanadierin Rehtaeh Parsons ist nur ein Beispiel, wenn auch ein besonders krasses: Die 15-Jährige wurde Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Einer der Täter stellte Fotos der Tat ins Netz. In der Folge wurde das Mädchen von Mitschülern gemobbt, bis es sich schließlich erhängte. "Das Schlimme ist, dass den Opfern oft die Schuld zugewiesen wird", erklärt Katzer, die Mitbegründerin des Vereins Bündnis gegen Cybermobbing ist: "Sie müssen erstmal beweisen, dass solche Bilder nicht freiwillig von ihnen gemacht wurden."
Auch eine Studie der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG) und der Universitäten Konstanz, Zürich und Bern kommt zu dem Ergebnis, dass Cybermobbing eine "Verlängerung des herkömmlichen Mobbings" ist. Doch während die Wissenschaftler das Ganze als überschätztes Phänomen abtun, warnt Katzer: "Das ist ein Trend, der zunimmt." Zwischen 25 und 30 Prozent der 8- bis 18-Jährigen in Deutschland seien schon mal davon betroffen gewesen. Eine Form der Gewalt, die nicht folgenlos bleibt: "35 Prozent der Opfer sind dauerhaft traumatisiert."
Bei den Tätern handelt es sich meist um Jungen, doch: "Die Mädchen holen auf", sagt Katzer. Die Opfer werden häufig auch in der Schule gemobbt. Auch wer sehr viel von sich im Netz preisgebe, mache sich zur idealen Zielscheibe.
Mehrere Aspekte machen das Internet in Katzers Augen zum idealen Tatort. So sei die Hemmschwelle, andere zu verletzen, in der digitalen Welt niedriger als in der realen. "Wenn ein Schüler einem anderen auf dem Schulhof ins Gesicht schlägt, sieht er das Blut fließen", erklärt Katzer. Im Netz sei der Schmerz hingegen nicht sichtbar. Täter könnten zudem aus dem Verborgenen heraus handeln: "Technologien, mit denen man seine IP-Adresse anonymisieren kann, fördern das noch."
Vielen sei die Tragweite ihres Handelns gar nicht bewusst, deshalb müsse man ihnen klarmachen: "Cybbermobbing ist kein Kavaliersdelikt, es kann eine Straftat sein." Wer andere verleumdet, beleidigt oder erpresst, macht sich strafbar. "Wenn jemand Nacktbilder der Ex-Freundin ins Netz stellt, verstößt er gegen das Recht am eigenen Bild", erklärt Katzer.
Dennoch hat Katzer die Erfahrung gemacht, dass Polizei und Rechtsanwälte vom Phänomen Cybbermobbing oft überfordert seien - einerseits weil die Rechtslage nicht immer klar sei, andererseits weil die Täter oft nicht eindeutig auszumachen seien. Catarina Katzer bricht in diesem Zusammenhang eine Lanze für die Vorratsdatenspeicherung: "Wenn die Verbindungsdaten nach ein paar Tagen weg sind, ist es schwer, den Tätern etwas nachzuweisen."
Sie rät deshalb dazu, das Mobbing genau zu dokumentieren, auch mit Screenshots. Außerdem sollte der Vorfall dem Anbieter der Webseite gemeldet werden. Das Wichtigste sei jedoch Aufklärung. Dabei sieht sie insbesondere Eltern und Lehrer in der Verantwortung. So sollten Eltern ihre Kinder bei deren ersten Schritten im Netz begleiten und mit ihnen die Gefahren diskutieren.
Ein weiteres Ergebnis ihrer Forschungen ist, dass viele Lehrer bei sich selbst einen Mangel an Fachwissen sehen. "Sie fühlen sich schlecht informiert, deshalb sind Fortbildungen dringend notwendig."
Den Einwand von Lehrern, sie hätten gar nicht genug Zeit, um auf das Thema in ihrem Unterricht einzugehen, lässt sie nicht gelten: "Binden Sie die Schüler ein. Lassen Sie sie einen Medientag planen. Machen Sie sie zu Anti-Mobbing-Beauftragten." Damit schlage man zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Schüler beschäftigen sich mit dem Thema und man erreiche die Jugendlichen besser, die sich lieber von einem Mitschüler als von einem Lehrer etwas sagen ließen. Gleichzeitig spricht sich Catarina Katzer für die Einführung des Lehrfachs Medienerziehung aus.

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