Das falsche Leuchtfeuer

Zu "Populisten ernten Stimmen" (TV vom 23. September):

Die Islam- und Integrationsdebatte der letzten Wochen hat die politische Landschaft der Bundesrepublik erheblich erschüttert und leider zunächst nur die üblichen reflexhaften Kommentare der Politiker hervorgebracht.

Nur Bundespräsident Christian Wulff hielt sich aus allem heraus, ohne die Chance zu nutzen, Tatsachen gerade zu rücken, Ziele zu formulieren und insgesamt ein differenzierteres Bild zu zeichnen.

Gerade in Dingen, die alle Bürger bewegen, ist der Bundespräsident gefragt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Amtsvorgänger Horst Köhler sich umgehend an die Bürger gewandt hätte. Der Bundespräsident als Sprecher und Mahner der Nation. Stattdessen geriet der Abgang von Sarrazin zu einer "finanziellen Mauschelei", bei der Hauptinitiator das Bundespräsidialamt war. Eine Chance vertan.

Zur selben Zeit, jedoch davon unabhängig, lobt Kanzlerin Angela Merkel den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard als "Leuchtfeuer der Pressefreiheit". Westergaards Mohammed-Karikaturen und auch das Buch von Sarrazin sind zwar durch die Pressefreiheit gedeckt, aber beide Werke verunglimpfen auf vereinfachende Weise ganze Völkergruppen.

Für die Ehrung zur Pressefreiheit gibt es genügend Kandidaten, denn immer noch müssen Journalisten für die Pressefreiheit bezahlen, zum Teil mit ihrem Leben. Westergaard taugt so wenig als Mahnmal für die Pressefreiheit wie Sarrazin.

Dass Angela Merkel vor drei Jahren den Dalai Lama empfangen hat, ehrt sie. Aber hier wurde eine Chance vertan.

René Schenten, Trier

Gesellschaft

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