Umwelt Der Fuß bleibt auf dem Gas

Zur Berichterstattung über Diesel-Fahrverbote und den Klima-Gipfel in Kattowitz schreibt Karl-Heinz Keiser aus Thomm:

Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, den Lobbyisten der Automobilindustrie einschließlich ihrem Sprecher, dem Bundesverkehrsminister, die Flügel zu stutzen. Stattdessen rast die Wohlstandsgesellschaft auf der Klimaautobahn mit ihren PS-Boliden ungebremst auf eine Betonwand zu. Die Betonwand liegt nicht im Nebel, nein, sie ist deutlich sichtbar. Trotzdem bleibt der Fuß auf dem Gas. Ein Auto-Konzern, der Milliarden-Strafen aus der Portokasse zahlt, gleichzeitig steigende Absatzzahlen verkündet, zeigt, was rhetorische Nebelgranaten im Hirn der Gesellschaft anrichten.

2017 gab es in Deutschland 723 000 Staus mit einer Gesamtlänge von 1,45 Millionen Kilometern. Kosten pro Tag: 250 Millionen Euro. Wer steht im Stau? Die einen, weil sie nicht anders können, die anderen, weil der Bus zu teuer ist, und die dritten, weil der unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen geerntete Blumenkohl nach 2000 Kilometern Autobahn billiger sein muss als jener, der auf heimischer Flur gewachsen ist.

100 Personen im Gelenkbus bei 30 Stundenkilometern in der Stadt, dafür benötigt eine Person 33 Zentimeter Fahrspur. Bei der durchschnittlichen Besetzung von 1,25 im Auto benötigt eine Person 15,6 Meter Fahrspur. Im Reisebus mit 40 Personen bei 100 Stundenkilometern auf der Autobahn braucht eine Person 1,55 Meter Fahrspur, im Auto sind es 43,2 Meter. In ähnlichem Verhältnis stehen Energieverbrauch und Schadstoffausstoß. Leicht das zu ändern, aber noch haben Lobbyisten das Sagen. Hätte Luxemburg eine Automobilindustrie mit ähnlichem Einfluss wie Deutschland, sie würde die Regierung in der Luft zerreißen bei dem Gedanken, den ÖPNV kostenlos zu gestalten.

Die Klimatouristen von Kattowitz haben wieder einmal festgestellt, was alles nicht erreicht wurde. Die großen Themen wie Mobilität zu Wasser und in der Luft, die nach wie vor mit steuerfreiem Treibstoff, trotz höchstem Schadstoffausstoß betrieben wird,  durften in Polen nicht auf den Tisch. Hier fragt sich die Welt: Wer hat das Sagen?

Was nützen Arbeitsplätze, wenn die Luft zum Atmen knapp wird? Es klingt absurd, und ich mache mir keine Freunde, wenn ich nur vermute, dass in naher Zukunft in vielen Bereichen der Industrie das Wort schrumpfen mehr Beifall bekommt als das Wort Wachstum.

Kein Lebewesen auf unserem Planeten betreibt die Vernichtung des Lebensraums der künftigen Generationen so intensiv wie der Mensch.

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