Gesundheit Der richtige Zeitpunkt für einen Ruck

Zur Berichterstattung über die Corona-Krise schreiben Hermann Mezger, Hermann Caspary, Leonore Hardes und Peter Trauden:

Die Pandemie hat unsere Staatsfinanzen kräftig ins Wanken gebracht. 750 Milliarden Euro sind kein Pappenstiel. Und wer sagt denn, dass dies die letzte Pandemie ist, und die nächste in ein paar Jahren nicht schon wieder vor der Tür steht? Was taugt ein Staat, dem die Hände finanziell gebunden sind? Die SPD fordert schon wieder einmal eine einmalige Vermögensabgabe der Reichen.

Machen wir uns nichts vor: Die Corona-Krise hat uns erwischt, als wir schon auf vielen Gebieten kaputtgespart waren. Bildung, Bundeswehr, Bundesbahn, Kohleausstieg, Europa, Pensionen, Justiz, Infrastruktur, wo man auch hinschaut, überall fehlen zig Milliarden Euro.

Nicht umsonst hat Altbundespräsident Roman Herzog seinerzeit gefordert, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen, und wir müssten von liebgewordenen Gewohnheiten Abschied nehmen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, diesen Ruck zu vollziehen. Die Bevölkerung spürt, dass sich etwas ändern muss. Noch nie war diese Einsicht so groß.

Ein nationaler Kraftakt muss her. Die Überschrift muss lauten: Von allem die Hälfte. Das betrifft den Bundestag, die Anzahl der Bundesländer und so weiter und so fort, Entbürokratisierung, Digitalisierung, Streichung unnötiger Subventionen, alles muss auf den Prüfstand. Es muss ein Paket geschnürt werden, das die Staatsausgaben um mindestens zehn Prozent mindert. Selbst dann haben wir immer noch eine komfortabel ausgestattete Regierung/Verwaltung. Nutzen wir die jetzige Krise zu unserem Vorteil!

Hermann Mezger, Prüm

Zum Leserbrief von Manfred Schmitz unter der Überschrift „Wir können auch anders, und das macht Mut!“ (TV vom 1. April):

Sollte der Beitrag satirischen Ursprungs sein, dann hat der Autor die Pointen geschickt versteckt. Viel wahrscheinlicher erscheint mir allerdings, dass dies seine tatsächliche Haltung zum Thema darstellt, was mich und sicherlich alle Menschen mit liberaler Weltanschauung betroffen macht. Demokratie und alles, was damit verbunden ist, wird immer wieder als Errungenschaft unserer Zeit gefeiert, die in jüngerer Vergangenheit gegen die Populisten und rechte Strömungen immer wieder verteidigt werden muss.

Sie, Herr Schmitz, loben und fordern die zumindest zeitweise Abschaffung dieser Errungenschaften. Sie bezeichnen alle, die nicht konform sind, als Egoisten, die „nach der Schlacht“ zur Rechenschaft gezogen werden, alle Achtung. Zur Demokratie gehören auch Dialog und eine funktionierende Opposition, auch wenn Sie auf „kleinliches Gezänk“ gerne verzichten.

Momentan fühlt es sich allerdings eher nach einer Diktatur an, 97 Prozent Zustimmung für eine Politik, die zum Handeln gezwungen ist, deren Maßnahmen gerne als alternativlos bezeichnet werden, wer da nicht mitzieht, stimmt ja, der wird zur Rechenschaft gezogen.

Insbesondere Markus Söder schüchtert ganz Deutschland ein und die Masse stimmt kritiklos zu. Der Söder, dessen Partei-Spezi die Maut-Millionen versenkt hat und dessen Partei erfolgreich Tempo 130 verhindert, was übrigens auch zu einer Art von Entschleunigung geführt hätte und was vor allem Solidarität mit unseren europäischen Nachbarn bedeuten würde, die das schon längst umgesetzt haben. Die deutsche Politik echauffiert sich über Orban, Putin, Erdogan, Trump, dabei eifert sie genau diesen nach, und das deutsche Volk klatscht Beifall und denunziert sich immer mehr, weil jeder, der jetzt noch einen Anflug von Freude und Spaß, von Eigenständigkeit und kritischer Haltung zeigt, ein Egoist und Abweichler ist, der den Fortbestand der Bevölkerung gefährdet.

Wenn Corona vorbei ist, werden die Daumenschrauben wahrscheinlich nicht mehr in dem Maße gelöst, wie sie jetzt angezogen werden. Das gemeine Volk soll sich dann wieder schuldig fühlen, im veränderten Kontext funktionieren und erneut fleißig konsumieren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Anschließend ist es wieder schuld, weil es so verschwenderisch mit Ressourcen umgeht, aber so ist es halt mit der Erbsünde, man wird sie nicht los.

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Schmitz, denke ich, dass das Volk Erklärungen versteht und diese eigenverantwortlich umsetzen kann. Die momentan stattfindende Indoktrination durch die Politik, die Medien oder selbsternannte Einpeitscher lehne ich ab.

Unter dem Deckmantel der Solidarität wird eine „Welle“ ausgelöst, weit entfernt von demokratischen Grundsätzen, (un)geachtet der wirtschaftlichen und sozialen Folgen.

Hermann Caspary, Wittlich

Zu zwei Leserbriefen unter der Überschrift „Die Welt in Quarantäne – und danach?!“ (TV vom 4./5. April):

Inge Ginter und Adam Servatius sprechen mir mit ihren Leserbriefen aus der Seele. Die Berichterstattung in Funk und Fernsehen grenzt nicht nur an Gehirnwäsche, sie ist Gehirnwäsche, und zwar in übelster Form. Was soll die Formulierung „Ruhe vor dem Sturm“? Was sollen die täglichen Bilder und Berichte aus Italien und Spanien von Zuständen in Krankenhäusern und die Not der Ärzte, über Tod und Leben entscheiden zu müssen? Es ist schlimm genug, dass in manchen Ländern Europas das Gesundheitssystem kurz vor dem Kollaps steht oder schon kollabiert ist. Aber Gott sei Dank ist die Situation bei uns doch eine total andere. Wir können Schwerkranke aus anderen Ländern bei uns aufnehmen, wenn auch in bescheidener Anzahl, um Solidarität zu dokumentieren.

Es ärgert mich allein die Fragestellung, die oft gebraucht wird: „Wie würde die Situation sich entwickeln, wenn …?“ Die sogenannten Experten haben auch keine Glaskugel vor sich liegen, aus der sie die Zukunft ablesen können. Sie sollten ihr Wissen in die Beherrschung der augenblicklichen Situation einbringen, sich auch mal Ruhe gönnen, anstatt sich in allen Talkshow-Formen die Klinke in die Hand zu geben.

Liebe Medienmacher, bitte berichtet kurz und sachlich, nicht nach der Devise, eine nicht sensationell aufgemachte Berichterstattung sei keine – es reicht! Wir brauchen auf allen Kanälen und in der Zeitung keine täglich wiederkehrenden, oft gleichen Bild-/Berichtssequenzen.

Leonore Hardes, Trier

Wir leben im Ausnahmezustand. Corona hat uns fest im Griff. Das mag dem einen oder anderen auch schwer auf die Nerven gehen. Was wir in dieser Situation aber absolut nicht brauchen, ist meiner Meinung nach die Dauerberieselung mit nur noch diesem Thema. Eine Programmzeitschrift für den Fernsehabend kann man sich fast schon sparen, irgendeine Sondersendung wirft garantiert das angekündigte Programm über den Haufen.

Was die täglichen Meldungen der Neuinfizierungen betrifft, interessiert es mich nicht im Mindesten, ob die Johns-Hopkins-Universität andere Zahlen nennt als das Robert-Koch-Institut. Die Medien sollten sich für eines entscheiden und gut ist. Wer jetzt noch nicht begriffen hat, dass die Lage ernst ist und jeder sich an die vorgegebenen Regeln zu halten hat, dem ist auch mit den nächsten 20 Sondersendungen nicht mehr zu helfen.

Und an die Medien: Sagt uns, was ist, und spart euch, was sein könnte – so lange, bis es tatsächlich konkret wird. Fürs Fernsehprogramm noch ein Tipp: Unterhaltung ginge im Moment auch ohne Dramen-, Katastrophen- und Psychofilme.

Peter Trauden, Heilbach

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