Ihre Meinung Die Gesellschaft stirbt aus

Medizin

Zu den Plänen, die Geburtshilfe­station im Dauner Krankenhaus zu schließen, erhielten wir unter anderem diese Zuschrift:

Kinder sind unsere Zukunft. Diese fundamentale Erkenntnis wird in Gesellschaften, in denen jeder sich selber verwirklicht, die ich-bezogen die Individualität des Einzelnen betonen, die Unterstützung von Familien halbherzig betreiben, gerne vergessen.

Wie soll Solidargemeinschaft funktionieren, wenn es keine Nachkommen mehr gibt, wenn die Anzahl der Alten die der Jungen überwiegt?

Solidargemeinschaften wie Krankenkassen und Rentenversicherungen leben davon, dass es ausreichend Nachkommen gibt, die diejenigen, die aus einem Arbeitsleben ausscheiden, im Sinne eines Generationenvertrages im Hinblick auf die Rente unterstützen.

Sie denken: Das hat noch Zeit? Nein, die Entwicklung, dass unsere Solidarsysteme auseinanderbrechen, weil wir nicht genügend Nachkommen haben, ist heute schon erkennbar!

Wenn eine Gesellschaft sich nicht um ihre Kinder kümmert, stirbt sie langfristig aus.

Wenn man diesem Gedankengang folgt, ist das Aus jeder Geburtshilfe, ob in Daun oder an anderer Stelle im Lande, eine Bankrotterklärung an die Entwicklung unserer Gesellschaft.

Die Frage, warum so entschieden wird, ist mit einer weiteren, nachdenklich stimmenden Antwort verbunden: Man findet keine Ärzte mehr, die bereit sind, die Arbeit zu tun.

Warum eigentlich? Haben wir zu wenig Ärzte? Sicherlich nicht. Bundesweit sind es über 360 000. Da sollten sich doch ausreichend Gynäkologen finden, oder?

Als Mediziner und ehemaliger Krankenpfleger, der mittlerweile 38 Jahre Gesundheitswesen überblickt, stelle ich fest: Viele Ärzte und Pflegepersonal sind nicht mehr bereit, sich den Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern zu stellen, die dazu führen, dass man, gerade noch Therapeut oder Pfleger, plötzlich selber zum Patienten wird.

Dies hat etwas damit zu tun, dass die Last der über die Jahre zugenommenen Arbeit – man denke nur an das wahnwitzige Thema der überbordenden Dokumentation – sich auf immer weniger Schultern verteilt und sich damit der Druck erhöht, der ärztliches und pflegerisches Personal krankt werden lässt.

Es ist vor allem die personelle Ausstattung im ärztlichen und pflegerischen Bereich, die für die noch Arbeitenden zu teilweise unerträglichen Bedingungen führt.

Nicht nur das Krankenhaus Daun sucht Mediziner. In den vergangenen  Tagen wurde über das Mutterhaus in Trier berichtet, wo eine Kinderonkologie geschlossen wurde.

Auch Rehabilitationskliniken der Region suchen seit Jahren medizinisches Personal und finden es nicht. Es ist mittlerweile ein bundesweites Phänomen.

Daher müssen wir alle  uns die Frage stellen, wie wir zum Thema Nachkommenschaft und Gesundheitsversorgung stehen.

Und vielleicht noch eins: Nicht nur reden, sondern wirklich auch so handeln, dass sich spürbar etwas für die Pflege und Ärzte verändert in Daun wie an anderen Stellen im Land.

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