leserbriefe Die Macht der Worte

Zur Berichterstattung über die Handelspolitik der USA und den Unterschied zwischen Straf-, Schutz- und Vergeltungszöllen schreibt Dr. Frank Schuster:

Kaum jemand weiß, wie hoch die Zölle zwischen den betroffenen Ländern und Wirtschaftsgemeinschaften sind. Die sachliche Diskussion über die politische Notwendigkeit und wirtschaftliche Möglichkeit, diese eventuell abzubauen oder anzugleichen, tritt jedoch in der Berichterstattung in den Hintergrund. Die EU lässt beispielsweise lediglich 26 Prozent ihrer Nicht-Agrar-Importe zollfrei ins Land. Die USA gewähren das für 48 Prozent der Einfuhren. Mit anderen Gütern ist es vielleicht gleich oder auch nicht. Ich weiß es jedenfalls nicht. Wenn man über Importbeschränkungen die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes schützen möchte oder, optimistisch gesehen, einen positiven Effekt auf die Produktherstellung hinsichtlich Arbeits- und Umweltbedingungen im Ausland erzielen möchte, gibt es neben Zollerhebungen weiter die Möglichkeit von Vorschriften und Umweltauflagen sowie politischen Druck über die einschlägigen supranationalen Organisationen auszuüben.

Genau hier sollten die Medien in der Aufklärung ihre Rolle finden. Stattdessen lassen sie sich im politischen Wortgefecht instrumentalisieren und schlagen sich fernab der sachlichen Berichterstattung und dem informierenden Kommentieren auf die Seite der politischen Rohrspatzen. Demnach scheint es dem US-amerikanischen Präsidenten lediglich darum zu gehen, Deutschland und den Westen zu bestrafen, und daher verhängt er „Strafzölle“. Die Gegenseite scheint aufgerufen zu sein, ihren Export zu schützen und denkt daher über „Schutzzölle“ nach. Nach dem Scheitern des Handelsdialogs verhängt Trump tatsächlich „Strafzölle“, die EU denkt zunächst über Vergeltungszölle nach, verhängt aber dann doch nur Gegenzölle. Na, das ging ja noch glimpflich ab, oder ist das alles nur Wortschein?

Nehme ich aus meinem Studium noch einmal Vahlens „Theorie der Außenwirtschaft heraus“, um hierüber etwas nachzulesen, finde ich alle diese Zölle nicht. Verhält es sich hier wie beim Unterschied zwischen dem Terroristen und dem Freiheitskämpfer, der ein und dieselbe Person aus den unterschiedlichen Blickrichtungen der politischen Kontrahenten beschreibt?  Wäre ich der Berater von Trump, gäbe ich ihm den Rat, nicht die EU mit Strafzöllen zu betrafen, sondern nur seine Wirtschaft mit Schutzzöllen zu schützen. Keiner könnte etwas dagegen haben, und es würde die Argumentation erschweren, auf das gute Recht wie den eigenen Schutz mit bösen Vergeltungszöllen zu antworten. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Dr. Frank Schuster, Volkswirt und Politikwissenschaftler, stellv. Bundesvorsitzender der Partei Die Reformer, Trierweiler

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