Gesundheit Die wirklich wichtigen Dinge

Zur Berichterstattung über die Corona-Krise schreiben Adela Dvorakova, Peter-J. Molitor, Dr. Melanie Jungblut, Jaime Luz y Graf, Johannes Reinhardt und Marga Radtke:

Ich habe ja absolut kein Problem mit den gesamten Einschränkungen bezüglich Corona und verstehe natürlich, dass diese zwingend erforderlich sind. Aber wofür ich absolut kein Verständnis habe, ist, dass es mir als Hochschwangere überall verweigert wird, eine Toilette zu benutzen. Kein einziges Geschäft, keine Eisdiele oder sonstiges hat mir Zugang gewährt. Es ist allgemein bekannt, dass Schwangere und Kinder öfter eine Toilette aufsuchen müssen, und ich finde es schon fast unverschämt, dass man diesbezüglich einfach sich selbst überlassen bleibt. Auf die Straße pinkeln darf man dann aber auch nicht, weil das wiederum ein Bußgeld gibt. Ich denke, die Regelung sollte überdacht werden, denn eine volle Blase ist echt nicht angenehm.

Adela Dvorakova, Trier

Was sich seit geraumer Zeit in Deutschland abspielt, hat mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wenig zu tun. Dies ist nur möglich, da die öffentlichen und privaten Interessen durch ein singuläres nationales Interesse zur Abwehr einer unvorhersehbaren Notsituation ersetzt werden. Der Eingriff in die persönliche Freiheit ist dem eingeschränkten Amtseid geschuldet: Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, ohne im vorliegenden Fall das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen zu können. Ein Politikum, das keiner Rechtsnorm unterliegt. Einziger Grund der „amtlichen Störung des Gemeinwesens“ ist die Verhinderung eines Kollapses des Gesundheitssystems. Diese Rechnung ist bislang voll aufgegangen.

Ironie des Schicksals ist, dass das Gesundheitssystem aktuell völlig unterfordert ist. Ärzte stehen vor leeren Betten, und das Krankenhausmanagement stöhnt. Zu Beginn der Pandemie hieß es, dass die Menschen unbedarft und ahnungslos ins offene Messer des unsichtbaren Feindes liefen. Ein Horrorszenario machte sich breit. Die Infektion von 50 Millionen Bürgern stünde bevor in Ermangelung eines Impfstoffs. Jetzt ist die Rede von 165 000 Infizierten und 6500 Toten. Ergebnis verschiedener Maßnahmen wie die Lahmlegung der Volkswirtschaft, Abstands- und Versammlungsregelungen, Besuchsverbote und Hygieneempfehlungen.

Die Präventivmaßnahmen sind unterschiedlicher Natur. Während der Shutdown astronomische Einkommensverluste und Kosten verursacht, gibt es die restlichen Maßnahmen quasi zum Nulltarif. Vernachlässigt man die Pietät, können die aktuellen Fallzahlen ein Festhalten am Status quo nicht rechtfertigen. Die Lufthansa ist noch zu retten, aber die Deutschland AG rettet niemand mehr, wenn es soweit ist. Die Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke, wenn Teile der Bevölkerung auf Einkünfte verzichten müssen, andere nicht. Wir überwinden das Virus, drohen aber an der Therapie zu ersticken, sagt der Finanz-Journalist Leon Müller. Das Interesse an dieser Therapie nimmt rapide ab.

Die Menschen sind hypersensibilisiert, was die Präventivmaßnahmen im untersten Kostenbereich betrifft. Die Virologen, Politiker und Mathematiker müssen Flagge zeigen, soweit dies zum Wohl der Bürger und der Volkswirtschaft zu verantworten ist, bevor sich die Justiz mit den Lobbyisten auseinandersetzen muss.

Peter-J. Molitor, Bernkastel-Kues

Die Gemüter scheiden sich, ob die aktuellen Corona-Maßnahmen angebracht oder übertrieben sind. Der Schaden an Mensch und Wirtschaft ist groß, doch ein Gutes hat die Sache.

Wir lernen zu verzichten, lernen, dass weniger auch mehr sein kann. Wir entdecken neue Dinge, für die wir bisher gar keine Zeit hatten, da wir in der Gegend herumgefahren, in Urlaub geflogen, zu großen Veranstaltungen geeilt sind. Der eine oder andere wird derzeit erfahren, dass es sehr bereichernd sein kann, die heimischen Wälder zu erkunden, mit dem Fahrrad zu radeln, spazieren zu gehen.

Nichts und niemand hätte unserer Umwelt eine solche Atempause verschaffen können wie ein unsichtbares Virus, das uns in unserer fortgeschrittenen, kontrollierten Welt plötzlich in Angst und Schrecken versetzt und zum Innehalten bewegt. Keine Demonstrationen, keine katastrophalen Zustände der Natur hätten jemals der Politik solche Maßnahmen abtrotzen können. Aber nun fühlt sich die industrielle, fortgeschrittene Welt bedroht von einer Gefahr, die sie kontrollieren möchte, jedoch nicht kontrollieren kann und die sie in ihrer vermeintlichen Sicherheit erschüttert. Fragwürdige Maßnahmen werden veranlasst und sollen uns vorgaukeln, die Situation könne kontrolliert werden.

Was ich mir wünsche ist, dass wir etwas aus dieser Zeit des Verzichts mitnehmen in die Zeit danach. Lernen, dass wir nicht immer überall hinfliegen, hinfahren, dabei sein müssen, etwas herunterfahren in dieser allzu mobilen Welt. Nicht nur zu unserem eigenen Schutz verzichten können, sondern auch zu dem der Umwelt.

Ich wünsche mir, dass etwas übrig bleibt von diesem aufgezwungenen Verzicht für die weitaus schwerwiegendere und weitreichendere Katastrophe, die sich uns gerade präsentiert.

Ich wünsche mir, dass wir lernen zu verzichten für die wirklich wichtigen Dinge, die uns zwar nicht unmittelbar, wohl aber absehbar und vor allen Dingen ärmere Länder und unsere Kinder betreffen.

Dr. Melanie Jungblut, Bergisch Gladbach, ehemals Konz-Oberemmel

Ich bin Krankenpfleger, seit 35 Jahren. Und es nervt, wie viele jetzt meinen, es sei alles vorbei. Sie pochen auf ihre Grund-/Menschenrechte und vernachlässigen die Gefahr. Besonders die Populisten und Pseudopolitiker, hervorzuheben FDP-Chef Lindner. Den Sagrotan-Gurgler der USA will ich gar nicht groß erwähnen. Und dann noch die am Existenzminimum nagenden Traumblasenfußballer. Wie wäre es denn mit einem Jahr umsonst spielen? Gespart müsstet ihr ja haben.

Die Freiheit endet da, wo die des Nächsten in Gefahr gerät. Jedes Menschenleben ist zu schützen. Ein Toter, der zu retten gewesen wäre, ist einer zu viel.

Jeder, der die Regeln nicht einhält, bringt andere in Gefahr. Und gefährdet auch die Existenz kleiner Selbstständiger, sollten die Maßnahmen wieder verschärft werden. Diese sind zu unterstützen.

Mein Job ist ein ganz normaler und es ist immer noch mein Traumberuf. Aber wenn einige meinen, wieder lax mit der Gefahr umzugehen, können die auf ihr tägliches Klatschen verzichten. Brauche ich dann nicht mehr.

Jaime Luz y Graf, Trier

Grundsätzlich sollte man keinem Volksvertreter bösen Willen oder Dummheit unterstellen, aber einen Vorwurf kann ich allen machen: Wer in einer globalisierten Welt Verantwortung und Verantwortlichkeit nicht auch als globale Verpflichtung betrachtet, kann schon nicht mehr nur blauäugig genannt werden.

Allein mit den Folgen eines konsequenten „Social Distancing“ habe ich schon vor Wochen mehr Tote als Gerettete weltweit gesehen prophezeit.

Dasselbe gilt auch für die hehre Hoffnung, dass es in der Folge eine heilsame, positive Veränderung unserer Gesellschaft geben könnte. Wenn man erwägt, Konzerne staatlich zu stützen, die keine Skrupel zu kennen scheinen, im Anschluss Milliarden an Aktionäre und Vorstände auszuschütten – welche positive Veränderung sollte dies auf wen oder was haben?!

Nicht alle Anordnungen zur Bewältigung der Krise waren falsch, aber Denken genügt nicht, Nachdenken ist wichtiger.

Johannes Reinhardt, Arzt, Körperich

Die Corona-Pandemie hat uns leider sehr im Griff, sie verändert unsere Lebensgewohnheiten. Dazu gehört auch das Händereichen als Friedensgruß in Gottesdiensten, die jetzt zum Glück wieder erlaubt sind. Durch diese Berührungen werden in jeder Jahreszeit und jeder Krise Viren verbreitet, es wäre angebracht – so wie früher –, den Händegruß für immer zu verabschieden. Hoffentlich werden die vorgeschriebenen Maßnahmen weiterhin befolgt.

Marga Radtke, Zeltingen-Rachtig

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