Die Zeit bleibt nicht stehen, auch nicht in der Provinz

Zum Kommentar "Verlorene Sachlichkeit" (TV vom 20. März):

Eine sachliche Debatte über die Inhalte und die Bedeutsamkeit von niveauvoller Kunst, die TV- Redakteur Lars Ross unterschwellig anmahnt, wird es nicht geben, dafür sind die Fronten zu verhärtet, und die Protagonisten dieser Fronten sind in ihrem Anspruch zu unterschiedlich. Leider spielt aber auch der TV eine unrühmliche Rolle. Auf der einen Seite beutet er den Wittlicher Kulturstreit aus und füllt seine Seiten mit Leserbriefen und eigenen Einlassungen, andererseits ist er nicht in der Lage, eine eigene dezidierte Stellung zu beziehen. Die populistische Umfrage, ob Justinus Maria Calleen zum Teufel gejagt werden soll oder nicht, war bedenklicher Journalismus. Fragte man die Bevölkerung, dann gäbe es auch eine Mehrheit für die Todesstrafe. Den Anteil von 50 Prozent der Deutschen als Faschisten, wie es Alfred Hrdlicka provokativ formuliert, halte ich für zu hoch gegriffen, er ist deutlich geringer, auch in Wittlich. Nein, es ist diese subtile Volksseele, in der die Zeit stehen geblieben ist, die über ihren Kirchturmblick schwer hinauskommt. Dass die handstreichartige Streichung (das nenne ich Bauernschläue) der Stelle des Kulturamtsleiters hohe Wellen schlägt, lässt doch hoffen, dass die Zeit eben auch in der Provinz nicht stehen geblieben ist. Wem gehört Wittlich? Den Wittlichern? Dem Kreis Bernkastel-Wittlich? Wollen die Wittlicher tatsächlich ein Heimatmuseum mit Pferdehalftern und Seidenmalerei und gusseisernen Ofenplatten? Das mag ich mir nicht vorstellen! Vielleicht macht der TV wieder eine Umfrage.

Jörg Stein, Lötzbeuren

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