Drakonische Strafen und knochenharter Drill

Zum Artikel "Getreten, geschlagen, gedemütigt" (TV vom 2. Januar):

Manches von dem, was in dem Artikel über die Erziehungslager in den USA berichtet wird, erinnert mich an meine Jugend als "Gast" in deutschen Erziehungsanstalten. Denn die vom hessischen Ministerpräsidenten Koch geforderten Erziehungslager gab es in Deutschland bereits. Die Zustände in ihnen führten in Hessen gegen Ende der sechziger Jahre zur "Staffelberg-Kampagne" und zu den Frankfurter Lehrlingskollektiven.Das Konzept der "Erziehung" in diesen Einrichtungen basierte auf dem Brechen der Persönlichkeit durch härteste Arbeit, meist in der Landwirtschaft, und dann, bei als geeignet angesehenen Jugendlichen, zum Angebot von Ausbildung, überwiegend in einfachsten handwerklichen Berufen (Korbflechter, Melker und ähnliche). Durch Heraufsetzung des untersten Schulabschlusses auf 15 Jahre und des Erwachsenwerdens auf 18 Jahre wurde der ursprüngliche Zeitraum, der für "Brechen" und "Aufbau" zur Verfügung stand, von sieben auf drei Jahre eingeengt. Parallel zu den Reformen in der Gesamtgesellschaft in den siebziger Jahren wurden auch die Heime umgewandelt.Das Eduardstift in Helenenberg an der B 51 zwischen Trier und Bitburg ist ein gutes Beispiel für diesen Wandel. Ich war dort 1960/61 und als "keiner pädagogischen Maßnahme zugänglich - für keinerlei Berufsausbildung geeignet" eingestuft worden. 1996 wurde ich von der Heimleitung eingeladen und auf Drängen meiner Frau bin ich dorthin gefahren. Die Heimleitung hat sich bei diesem Besuch für meine Behandlung damals entschuldigt, obwohl es nicht sie, sondern die Salesianer Don Boscos waren, die mit drakonischen Strafen und knochenhartem Drill Kinder und Jugendliche quälten. Mir wurde aber auch gezeigt, dass es jetzt ganz anders abläuft und dass dies zu deutlich mehr Erfolg geführt hat. Und das soll jetzt wieder rückgängig gemacht werden? Und Herr Koch hat wohl vergessen, dass ein großer Teil der RAF sich aus Ehemaligen der Erziehungsanstalten und Landeskrankenhäuser rekrutierte. Paul R. Woods, Neumagen-Dhron erziehungslager

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