Atomkraft Durchweg theatralisch und vollkommen übertrieben

Zum Leserbrief „Erneuerbare Energien? Nein, danke!“ (TV vom 15. Juli) und zu den den Artikeln „Uralt-AKW Fessenheim im Elsass abgeschaltet – was ist mit Cattenom?“ und „,Die Atompolitik in Frankreich ist vor die Wand gefahren’“ (TV vom 1. Juli) schreibt Helmut Remmels:

Ich weiß zwar nicht, neben welchem Antennenmast der Nachrichtentechnik-Ingenieur Berthold Backes aufgewacht ist, als er seinen Leserbrief pro Atomkraftwerk Fessenheim und pro Atomkraftwerk Cattenom schrieb, aber eines weiß ich: Die in seinen „Berechnungen“ ermittelten Ergebniszahlen sind teilweise falsch und seine gezogenen Rückschlüsse sind durchweg theatralisch und vollkommen übertrieben. Daher ein Beispiel vorweg, bevor ich anschließend korrekte Zahlen ergänze und weitere Fakten nenne. Herr Backes schreibt:
„[…] geht jede Minute ein Solarpanel in Betrieb, sind wir in 1400 Jahren soweit“. Hierbei bezieht er sich auf die Leistung und Netzeinspeisung von Cattenom, indem er die Zahlen für das AKW Fessenheim „mit drei multipliziert“. Richtig ist: Das AKW Fessenheim hatte eine Nennleistung von 1840 MW und hat 2018 insgesamt 11 947 GWh an elektrischer Energie in das Stromnetz eingespeist (Quelle Wikipedia). Macht man nun wie Herr Backes den Vergleich mit der Photovoltaik (erneuerbare Solarstromtechnik), so folgen folgende Zahlen: Ein handelsübliches Photovoltaikmodul hat eine Nennleistung von 300 Wp und erzeugt in unseren Breitengraden jährlich circa 300 kWh an elektrischer Energie. Um die genannten 11 947 GWh (dies entspricht 11,9 Milliarden kWh) zu erzeugen, bräuchte es 40 Millionen Solarpanels. Geht nun jede Minute eines in Betrieb, so sind dies keine 1400 Jahre, wie Herr Backes schreibt, sondern „nur“ ein zwanzigstel, nämlich circa 76 Jahre (wie jeder leicht nachrechnen kann). Aber keine Angst, liebe Leser, vor dieser immer noch langen Zeitdauer, allein in Deutschland wurden in den Jahren 2010 bis 2012 sogar die doppelten Mengen an Photovoltaik auf Dächern und in der Freifläche installiert und in Betrieb genommen.

Nun zur Atomkraft: Den Homo sapiens gibt es nun seit 300 000 Jahren, der Neandertaler ist vor circa 40 000 Jahren ausgestorben, die letzte Eiszeit war vor etwa 15 000 Jahren beendet, in Folge der weicheren Böden entdeckte der Mensch vor 12 000 Jahren, dass ein Samenkorn in feuchter Erde keimt, vor 8000 Jahren wurde der Mensch erst richtig sesshaft. Und ein Atommüllendlager strahlt für eine Million Jahre! Würde in Cattenom ein ähnlicher Reaktorunfall passieren wie in Tschernobyl oder in Fukushima, dann würde wie dort eine mindestens 30-Kilometer-Sperrzone entvölkert werden müssen, die dann in Richtung Trier bis Saarburg und Grevenmacher reicht. Aufgrund der in unserer Region vorherrschenden Südwestwinde würde ich mit meiner Familie aus Trier sofort wegziehen müssen. Übrigens: Würde man dann die Sperrzone um Cattenom (der Radius von 30 Kilometern entspricht einer Fläche von 2827 Quadratkilometer) mit Photovoltaik-Modulen belegen, so erzeugten diese bei dem oben genannten 300-Wp-Modul (Fläche 1,6 Quadratmeter je Modul) jährlich 530 Milliarden kWh an elektrischer Energie, dies entspricht dem jährlichen Stromverbrauch der Bundesrepublik Deutschland (Luxemburg bräuchte ja keinen Strom mehr).

Vermutlich wird dann der eine oder andere mit Lendenschurz bekleidete Nachrichtentechniker durch die Sperrzone laufen und ein neues Rauchzeichenalphabet entwerfen – eine trotz Dauerbestrahlung lösbare Aufgabe.

Helmut Remmels, Dipl.-Ing., Trier

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