Gesundheit Ein bisschen Wertschätzung ...

Zur Berichterstattung über die Corona-Maßnahmen für Kitas und Schulen in Rheinland-Pfalz schreiben Maria Mayer, Marianne Olk-Stozek, Pia Schneider und Marlies Günter:

Die derzeitige Situation stellt uns alle vor Herausforderungen. Dieses Schreiben soll als Appell an die Eltern gedacht sein, die die offizielle Mitteilung der Kultusministerin nicht ganz verstanden haben, an die Eltern, die davon ausgehen, dass sie ein Recht auf die Betreuung ihrer Kinder haben, an die Eltern, die immer noch nicht den Ernst der Lage erkannt haben.

Ich als alleinerziehende Mutter und Erzieherin verstehe nicht so ganz die Aufschreie der „armen Eltern“. Weshalb arm? Weil sie sich mit ihren eigenen Kindern 24 Stunden beschäftigen sollen? Ist es schon so weit gekommen, dass wir uns als arm bezeichnen, wenn wir mehr als die übliche Zeit mit unserem höchsten Gut zurechtkommen müssen?

Ich muss zur Arbeit, um fremde Kinder zu betreuen oder anders gesagt, um 24 verschiedene Haushalte zu treffen, und mein Kind sitzt alleine zuhause und kämpft sich durch Online-Unterricht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach im Dezember von einer Schließung der Kitas analog zu den Schulen. Rheinland Pfalz stellt sich hier gegen die Bundesbeschlüsse.

Was ist ein „Regelbetrieb bei dringendem Bedarf“? Mit diesem Begriff soll deutlich gemacht werden: Die Situation während des Lockdowns ist besonders, und die Eltern sollen ihre Kinder nur dann in die Kita bringen, wenn sie sie zu Hause nicht betreuen können.

Da hätten wir das Problem, bei wem greift der „dringende Bedarf“, wenn man im Home-Office ist, einkaufen gehen oder das Haus putzen muss?

Wer jetzt denkt, die beiden letzteren Beispiele seien doch etwas provokant, dem sei gesagt: Sie entstammen der Realität!

An die AHAL-Regeln ist in der Kita nicht zu denken. Auch wenn jüngere Kinder in der Regel eine Covid-19-Infektion besser wegstecken, teils symptomlos durchlaufen, braucht man kein Virologe zu sein, um zu begreifen, dass sie die Viren in die Kita schleppen und die sich von dort aus verbreiten. Kinder und Erzieher nehmen sie mit in ihre jeweiligen Haushalte.

Denkt doch mal daran, wenn die Kitas wegen immer höher steigenden Zahlen wieder komplett schließen müssen. Was ist dann mit der Intensivkrankenschwester, die dringend benötigt wird und nun wegen fehlender Betreuungsmöglichkeit ihres Kindes nicht zur Arbeit kann?

Viele Eltern sind doch in Kurzarbeit oder könnten sich bei der Betreuung der Kinder abwechseln, so dass jeder ein paar Stunden ungestört arbeiten kann.

Was ist nur mit uns Menschen los? Die Politiker appellieren an die Eltern, die Kita nur bei dringendem Bedarf in Anspruch zu nehmen, nur solange der Regelbetrieb herrscht, warum sollte man dann von seiner Bequemlichkeit abrücken? Sind wir keine sozialen Wesen mehr? Ist unsere Gesellschaft so verkümmert, dass jeder nur nach sich und seinen Bedürfnissen schaut?

 Warum nicht, wie so oft gesagt, eine Zeitlang „die Pobacken zusammenkneifen“, um dann nochmal entspannter und risikofreier den Lockdown zu beenden?

Entschuldigen Sie die direkten Worte, ich musste mir mal Luft machen. Als Pädagogin weiß ich allerdings, dass Kritik oft Ablehnung hervorruft. Daher meine eindringliche Bitte an alle Eltern: Ich flehe sie an, auch ich möchte für meine Familie gesund bleiben und mich schützen, bitte nutzen Sie die Kita nur, wenn es auf gar keinen Fall anders geht!

Maria Mayer, Trier, Erzieherin

Sehr geehrte Ministerpräsidentin Malu Dreyer, ich bin entsetzt und enttäuscht! Warum? Über die nicht vorhandene Wertschätzung meines Berufsstandes in unserer Gesellschaft! Wir Erzieherinnen und Erzieher sind momentan die einzigen, die ihren Beruf ohne die erforderlichen Schutzmaßnahmen ausüben müssen, da diese im Kita-Alltag nicht umsetzbar sind. Die hohen Infektionszahlen in Verbindung mit zahlreichen Toten haben die Politik dazu veranlasst, verschärfte Pandemie-Maßnahmen festzulegen. Überall und in allen Bereichen – außer in der Arbeit mit Kindern im Kita-Alter. Hier herrscht nach wie vor ein Regelbetrieb ohne Einschränkungen und das, obwohl viele Studien mittlerweile belegen, dass auch für Kinder ein Infektionsrisiko besteht und ein solches auch von ihnen ausgeht. Ein Appell an die Eltern alleine ist, so zeigt es die momentane Situation, nicht ausreichend. Mir wurde in den letzten zehn Monaten lediglich zweimal die Möglichkeit eines Corona-Tests geboten. Obwohl wir ohne Abstand und Maske arbeiten, ist es noch nicht einmal vorgesehen, zu wöchentlichen Testungen gehen zu können!

Ach ja, bald sind Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz! Der Wahlkampf hat bereits begonnen, und da gilt es natürlich, eine breite Wählerschicht nicht zu verärgern und deren Zustimmung zu verlieren. Dienen hier Erzieherinnen und Erzieher als Bauernopfer? Hätte ich vor 30 Jahren geahnt, wie wenig wertgeschätzt der Erzieherberuf in Rheinland-Pfalz ist, hätte ich mir die Berufswahl vielleicht besser überlegt.

Marianne Olk-Stozek, Waldrach, Erzieherin in einer Kita in Trier

Ich habe zwei Kinder zu Hause im Home-Schooling, von denen eines auch Schwierigkeiten hatte, den Onlineunterricht zu gestalten, da die Lernplattformen der Landesregierung total überfordert waren oder gehackt wurden. Ich bin kein IT- Spezialist, aber mir kommt der „Hackerangriff“ seltsam vor. Für mich hören sich die DDoS-Attacken (zahllose Anfragen, gezielte Überlastung des Servers) genau so an wie das, was ich erlebt habe oder was mir von vielen Bekannten erzählt wurde. Zehntausende Schüler und Lehrer versuchten gleichzeitig die Plattformen zu nutzen. Hackerangriff?

Ich möchte mal von dem Geschimpfe runterkommen und möchte das auch nicht meinen Kindern vermitteln. Ich finde, die Lehrer haben großartig reagiert, einige beruhigten die Kinder in ihrer Angst der Benotung, andere wichen auf E-Mails mit Arbeitsaufträgen aus. Ich verstehe auch nicht, was daran immer so falsch sein soll. Klar ist ein Wochenplan mit Arbeitsaufträgen kein Online-Unterricht, aber wenn alles wegen Überlastung zusammenbricht oder für einen Zeitraum von zwei Wochen ist das doch völlig okay. Bitte schaltet jetzt mal das „Jammern auf hohem Niveau“ aus! Wäre uns lieber, die Kids würden jetzt bei den Infektionszahlen im vollen Bus sitzen und mit Winterjacke und Handschuhen unterrichtet werden? Also, stellt das Maulen ein und gebt euren Kindern Alternativen, fordert sie auf, nicht stundenlang sinnlos vor „Moodle“ zu probieren, sondern andere Aufgaben zu erledigen, eventuell auch da, wo Lücken sind (Vokabeln, Rechtschreibung, Kopfrechnen), und nutzt die tolle Seite unserer digitalen Welt. Zu jedem Thema gibt es wundervolle Videos, ganze Sendungen, seid nicht so starr in eurem Denken.

Dieser Tage lauschten vier Kinder der Sage um die Loreley, es war die Aufgabe eines Kindes, Sehenswürdigkeiten in Rheinland-Pfalz aus dem Internet zu recherchieren. Wunderbar.

Pia Schneider, Paschel

Zum Artikel „Der Fehlerreigen bei den Schulen setzt sich fort“ (TV vom 5. Januar):

Dieser Leitartikel spricht mir aus der Seele, was die aktuelle schulpolitische Situation betrifft. (Oft bleibt mir nur ein Kopfschütteln, weil ich ohnmächtig bin. Da hilft es, mit einem Leserbrief Gedanken und Ideen zu Papier zu bringen.)

Dass die Kultusminister-Konferenz (KMK) mit ihren Vertretern aus 16 Bundesländern am „grünen Tisch“ Beschlüsse fasst, die mit Praxiswirklichkeit in den Schulen anscheinend wenig zu tun haben, wird mir zunehmend deutlicher. Ich begreife es nicht, zweifle oft daran, ob den Entscheidern die Folgen der Beschlüsse wirklich klar sind.

Persönliche und viele Erfahrungen über Jahre in der Elternselbsthilfe lehren mich das: Klappt´s in der Schule nicht, ist das Elternhaus schuld. Sicher, stimmt ja … meistens! Nur Eltern zu ändern, die selbst keine Chancengleichheit hatten – schwierig! Die Grundlage, auf der Lebensentwürfe gelingen, steht aber auf beiden Säulen: Elternhaus und Schule.

Und schulische Konzepte könnte man ändern, den heutigen Bedürfnissen anpassen. Wäre das nicht eine sinnvolle Investition in die Zukunft, das gleichzeitig präventiv manches Scheitern verhindern könnte?

Was macht es mit Kindern, die über Jahre erleben müssen, dass sie der Norm nicht genügen und nicht mitkommen? Der Verlust an Vertrauen in sich wiegt schwerer, als fachliche Defizite. Wer das in seiner ganzen Dimension erfasst, müsste alles tun, damit Zukunft für Kinder gelingt und so auch für die Gesellschaft.

Die Pandemie verschärft die Defizite in vielen Bereichen unserer Gesellschaft. Die Diskussionen über Einsatz und Nutzen der IT in Schulen ohne systematisches Konzept macht mich, als ehemalige EDV-lerin in den ersten Anfängen einer IT-Generation, wütend. Mir stockt der Atem über Kurzsichtigkeit der KMK in dieser Sache, die Zukunfts-Konzepte für Schule entwickeln soll.

Dabei vollzieht sich gerade durch die Digitalisierung ein Paradigmenwechsel in der Welt. IT wird künftig die neue Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen sein und die Experten für Kultur begreifen es offenbar nicht so ganz. Müssten sie sonst nicht anders handeln?

Warum stellen die Bundesländer ihren Lehrern keine IT-Experten zur Verfügung? Jedes kleine zukunftsorientierte Unternehmen sucht sich Expertenrat. Stattdessen werden Lehrer, die mit Blick auf Schüler kreative Lösungen entwickeln, vom Kultusministerium zurückgepfiffen!

Großen Respekt allen Lehrerinnen und Lehrern, die in diesen Zeiten noch motiviert ihren Job machen. In der Regel haben sie doch Pädagogik studiert und nicht Informations-Technologie. Nicht alle sind mit Bit und Byte so vertraut und müssten von IT-Fachleuten unterstützt werden. Für den Online-Unterricht sollten durchdachte Konzepte für alle Schulen bereitgestellt werden, damit für die eigentliche pädagogische Aufgabe mehr Zeit bleibt.

Und würde es nicht Sinn machen, die Aufteilung in kleine Klassen so zu organisieren, dass vorwiegend Kinder überforderter Eltern am Präsenz-Unterricht teilnehmen? Und gleichzeitig online nur die Schüler mit den besseren häuslichen Rahmenbedingungen?

Könnte das nicht für alle „Schule machen“ und damit für mehr Chancengleichheit sorgen?

Marlies Günter, Wittlich

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