Politik Ein Neo-Kapitalist als Heilsbringer?

Zum Kommentar „Warum nur in den Reihen der CDU suchen?“ (TV vom 18. Februar) schreibt Ruediger Scheiffele:

Welche Partei sehnt sich nicht nach einer starken und überzeugenden Führungspersönlichkeit, die durch Fachkompetenz, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei den eigenen Mitgliedern und – was noch wichtiger ist – auch bei den Wählern punkten kann? Warum nur glaubt dann ein kleiner elitärer Kreis bei den Christdemokraten, dass Friedrich Merz, ein Neo-Kapitalist reinster Ausprägung, die CDU bei diesem ihrem Streben befrieden, „einen“ und zu neuen Erfolgen führen könnte? Ausgerechnet dieser Egomane, der als Paradebeispiel dafür steht, dass er sofort, wenn es nicht nach seinen Vorstellungen oder seinem Willen läuft, bereit ist, den Krempel hinzuwerfen und sich schleunigst nach einer anderen, meist lukrativeren „Ersatzbefriedigung“, umzusehen.

Wie anders könnte man sein beleidigtes und destruktives Verhalten interpretieren, nachdem er von Angela Merkel 2002 abserviert wurde und den Fraktionsvorsitz an sie abgeben musste. Schon damals zeigte er doch unverblümt sein wahres Gesicht. Spätestens im Jahr 2004, als er dann auch noch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender zurücktrat, um sich fortan, seiner Profilierungssucht folgend, in allen möglichen höchst lukrativen Verwaltungs- und Aufsichtsräten der freien Wirtschaft zu betätigen, musste doch jedem Bürger dieses Landes und auch seinen „Partei­freunden“ klar sein, wo seine eigentlichen Interessen liegen.

Rückschlüsse auf seine tatsächlichen Prioritäten lassen sicher auch seine Engagements beim Verkauf der WestLB und seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender bei Blackrock, einem deutschen Ableger der weltgrößten Vermögensverwaltung, zu. Angeblich ließ er sich seine nicht gerade von Erfolg gekrönte Arbeit beim Verkaufsprozess der WestLB an einen privaten Investor seinerzeit mit sage und schreibe 5000 Euro Tagesgage vom Steuerzahler honorieren, und das über fast 400 Tage. Wer sich in einem solchen Umfeld bewegt und über Jahre per anno geschätzt mehr als eine Million Euro vereinnahmt, der sollte sich nicht selbst scheinheilig als Zugehöriger der Mittelschicht in Deutschland bezeichnen. Der gehört ohne Wenn und Aber zur Oberschicht und taugt nicht zum Interessenvertreter der überwiegenden Mehrzahl der Bürger dieses Landes. Zumal dann nicht, wenn er, wie von ihm geäußert, die Meinung vertritt, dass die Hartz-IV-Regelsätze deutlich gesenkt werden müssten.

Es scheint, dass sich zum Ende der Amtszeit von Angela Merkel alle diejenigen zusammenrotten, die vermeintlich während ihrer Kanzlerschaft die eigenen politischen Ambitionen nicht durchsetzen konnten oder durften. Anscheinend halten sie jetzt die Zeit für gekommen, sich dafür zu revanchieren, dass die Kanzlerin so manch einen ihrer Gegenspieler, zumindest zeitweise, in die politische Bedeutungslosigkeit verbannt hatte.

Doch mit Verlaub, sind das wirklich die Persönlichkeiten, die wir Otto-Normalbürger uns zur Vertretung von Gemeinwohl-Interessen wünschen? Ganz klar nein, solche Volksvertreter, die ihr Amt eigentlich nur zum eigenen Vorteil oder zur Selbstverwirklichung benötigen, die ihre Machtgier befriedigen und ausleben wollen, die brauchen wir ganz sicher nicht.

Ruediger Scheiffele, Trier-Ruwer

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