Katholische Kirche Ein wohlbeleibter Herr, tiefe Gläubigkeit und die Würde des Menschen

Zur Berichterstattung über die katholische Kirche und zu verschiedenen Leserbriefen schreiben Gerhard Deussen, Karl Mikolai und Irmgard Zeimentz:

Zum Leserbrief „Betonharte Ignoranz“ (TV vom 15. Juni):

„Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.“ An diesen Satz von André Gide musste ich denken, als ich die antireligiöse und im Besonderen antichristliche Zuschrift von Monika Wächter las.

Ich hatte es ja schon immer geahnt: Kirchliche Religionsideologen manipulieren und konditionieren unter der hilfreichen Assistenz staatlich besoldeter Religionslehrer an unseren Schulen unsere armen Kinder derartig, dass sie sich später selbst als „klügste“ Erwachsene nur unter größten Mühen aus diesem Netz befreien können.

Im Ernst: Mir sträuben sich die Nackenhaare, wenn ich so etwas lese, denn natürlich sieht Religionsunterricht ganz anders aus, ist er doch eingebunden in den allgemeinen Erziehungsauftrag der Schule, der Erziehung zu Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit. Ohne sein Eigenes, die christliche Religion, aufzugeben, verhilft der Religionsunterricht jungen Menschen dazu, in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Religionen und Wertesystemen ihre eigene Position zu finden. Ganz offensichtlich passt aber diese Offenheit nicht in die ideologische Weltsicht der Schreiberin.

Frau Wächter verweist auf die „Erklärung der Internationalen Menschenrechte“ aus dem Jahre 1948 und moniert, dass der Vatikan sie bis heute nicht anerkannt habe. Das ist in der Tat mehr als nur bedauerlich und offenbart gravierende Defizite der katholischen Kirche, aber wer sich die andere Seite der Medaille ernsthaft anschaut, der wird nicht umhin kommen, auch die Wurzeln der Menschenrechte in den Blick zu nehmen: Vom Verbot der Sklaverei über die Gleichheit vor dem Gesetz bis hin zum Recht auf Erholung und Freizeit (Sabbat/Sonntag) entstammen viele Vorschriften der antiken und der christlichen Tradition. Es ist eben nicht zufällig, dass auch der Artikel 1 Abs.1 unseres Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ auf genau diese Tradition zurückgreift.

Hinter der Idee der unantastbaren, unveräußerlichen und unteilbaren Würde des Menschen steht die Vorstellung der Gottebenbildlichkeit, die jedem Menschen unabhängig von Rasse, Religion, Geschlecht, von Fähigkeiten und Eigenschaften und von Krankheit oder Behinderung zukommt. Dies garantiert dem menschlichen Leben seinen Wert und seinen besonderen Schutz.

Hier lohnt der Blick in die deutsche Geschichte, die in erschreckender Weise gezeigt hat, was geschehen kann, wenn die Staatsmacht dieses Konzept der Menschenwürde verneint. Und gerade heute, in einer Zeit, in der über pränatale Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik zum Teil heftig gestritten wird, ist es alles andere als „lächerlich“, wenn die Kirchen ihr Verständnis von Wert und Würde des Menschen immer wieder ins Gedächtnis rufen.

Ich kann und will auf die Anwürfe von Frau Wächter nicht im Einzelnen eingehen, nur eines noch: Sie schreibt, Lukrez zitierend: „Alle Religionen erscheinen … den Philosophen lächerlich.“ Die Schreiberin rechnet sich offensichtlich zu den Philosophen. Umso unangenehmer stößt es auf, wenn Sie im selben Zitat gleichsam in einem Atemzug alle gläubigen Menschen als „Ignoranten“ diskreditiert.

Wie formulierte Gustav Heinemann, der frühere Bundespräsident, so treffend? „Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstifter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, dass in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen.“

Gerhard Deussen, Wittlich

Zum Artikel „Schatten der Vergangenheit“ (TV vom 3. Juni) und zu den Leserbriefen unter der Überschrift „Tut etwas, sonst ist es zu spät“ (TV vom 8. Juni):

Die Beiträge haben bei mir einerseits Erinnerungen an die eigene Ministrantentätigkeit ausgelöst und andererseits auch Erfahrungen bestätigt, die ich in den letzten Jahren als Domführer für das Bistum Trier gemacht habe.

Großgeworden als ein Kind der 50er Jahre in einem kleinen Dorf in der Eifel war der Pastor (lateinisch: Hirte, Seelenhirte) oft über Jahrzehnte in einem Dorf tätig, und somit haben die Jungs des Ortes als Messdiener oft in zwei Generationen Erfahrungen mit dem Pfarrer gemacht.

In unserem Falle war dies ein wohlbeleibter Herr, der gemäß seinen Launen bei geringsten Anlässen oft von der Ausübung körperlicher Gewalt zu einem infantilen Gefummele überging. Diese Verhaltensweise war im Dorf allgemein bekannt und wurde von den Eltern/Erwachsenen totgeschwiegen nach dem Motto: „Ett ass den Här, do driewer gett nett geriert – es ist der Pastor, darüber wird nicht geredet !“

Wenn ich heute die Leserbriefe von Betroffenen der Missbrauchsfälle und den Umgang des Bistums damit lese, dann habe ich oft das Gefühl, dass sich an der Reaktion der Kirche „Verzögern“, „Herunterspielen“  et cetera in den letzten Jahren nicht viel geändert hat: Gerne möchte man diese unangenehmen Fälle natürlich in Gutsherrenmentalität  nach eigenem Ermessen lösen, statt den heute oft noch leidenden Opfern von Missbrauchsfällen wirkliche Hilfe und finanzielle Entschädigung zukommen zu lassen.

Diese Arroganz, dieses „von oben herunter …“ lässt sich aufgrund meiner Erfahrungen auch auf die Führungsebenen der Einrichtungen des Bistums übertragen, mit denen ich als Domführer seit Jahren in Kontakt stehe und zum Teil auch ehrenamtlich tätig bin.

Bei der Diskussion um die Frage des Frauenpriestertums „Maria 2.0“, bei der es um Geschlechtergerechtigkeit und Priesterinnenweihe in der katholischen Kirche geht und die vom Trierer Bischof in einer Reaktion auf die Streikaktionen als nicht hilfreich bezeichnet wurde (TV vom 24. Mai), drängt sich bei mir ein ähnlicher Eindruck auf.

Wie erfrischend und angenehm war es dagegen, vor einigen Wochen in meiner Heimatpfarrei Föhren an einem Wortgottesdienst teilzunehmen, der von Laien (Frauen) gestaltet wurde und noch die Erfahrung vermittelte, wie christliches Gedankengut und christlicher Gottesdienst wohl einst gemeint waren.

Karl Mikolai, Domführer, Föhren

Zur Reform des Bistums Trier:

An Fronleichnam habe ich so richtig empfinden können, was unsere Kirche mit ihren noch gläubigen Menschen vorhat. An Fronleichnam habe ich im Fernsehen eine Messe aus Bayern mit anschließender Prozession angeschaut. All das hat mich sehr bewegt, ich bin dabei froh und wiederum traurig geworden. Von meiner Kindheit an, mit meinen Eltern und Geschwistern habe ich, stets dieses feierliche Fronleichnamsfest miterlebt. Heute, im Alter, wird einem in dieser Richtung alles genommen. Ist die ältere Generation, die im Krieg mit vielen Sorgen, gerade auch um unsere Kirche, in Tiefgläubigkeit alles mitgestaltet und durchgemacht hat, ist das alles heute wertlos geworden?

Ich hoffe und wünsche, dass die  Menschen, die sich für diese abwegige Richtung einsetzen, sich auch bewusst sind, was sie damit für die christliche Welt und unseren Glauben tun. Es ist doch so, dass die Menschen, die für die Vorbereitungen zum Schmuck der Altäre und auf den Prozessionswegen nie Zeit und Mühe gescheut haben, es gerne taten, und mit vielen sinnvollen Blumensymbolen zur Freude der Menschen beigetragen haben. Möge Gott es ihnen lohnen. Ein Fronleichnam ohne Messe und Prozession wird mit der Zeit unseren Glauben Stück für Stück immer mehr abbröckeln lassen. Sind die Reformer sich nicht bewusst, was sie anrichten, zumal für uns ältere Menschen? Auch ihr werdet schnell älter. Für die gewaltige Umstellung der Pfarreien hätte man wesentlich mehr Zeit einplanen müssen.

Irmgard Zeimentz, Irrel

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