Eine Radikalkur, die zum Tod führen kann

Zur Berichterstattung über die Spielzeit im Theater Trier unter der Intendanz von Karl Sibelius:

"Es gibt Leute, die will man nicht im Theater haben", diese Aussage des Intendanten Karl Sibelius stammt noch aus seiner Eggenfelder Zeit, aber nach fünf von sechs Aufführungen meines diesjährigen Abonnements glaube ich, er hat damit auch mich gemeint - mich und meine vier Freundinnen, die seit mehr als 20 Jahren Abonnentinnen des Theaters in Trier sind. Gerne unterstützten wir das Haus und schätzten das kulturelle Angebot, keineswegs selbstverständlich in einer Stadt von der Größenordnung Triers.

Als ehemalige Lehrerinnen passten wir die Auswahl unserer Lektüre im Deutschunterricht oft dem Spielplan des Theaters an, um auch junge Menschen bei einem gemeinsamen Besuch an das Theater heranzuführen. Unter den Intendanzen von Heinz Lukas-Kindermann und Gerhard Weber erfuhren wir etliche Neuerungen, wohl wissend, dass ein Theater keinen Stillstand verträgt und gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen muss. Trotz oder vielleicht auch wegen der einen oder anderen schrillen Inszenierung zeigte das Theater insgesamt eine positive Entwicklung und setzte in einigen Bereichen (zum Beispiel Tanztheater) sogar neue Standards.

In die Theatersaison 2015/16 starteten wir ohne Vorbehalte. Obwohl von einigen Presseberichten beunruhigt, wollten wir uns eine eigene Meinung bilden. Womit wir nicht gerechnet hatten, war, dass der neue Intendant mit der Kahlschlag-Mentalität eines Bulldozers seine Aufgabe angeht. Zuerst entließ er fast alle Mitglieder des Ensembles, brach dann einen Machtkampf mit dem Chefdirigenten vom Zaun und präsentierte schließlich einen Spielplan, der wohl mehr auf die Feuilletons als die Zuschauer abzielt.

Das momentane Programm ist mit wenigen Ausnahmen eine Aneinanderreihung von schrillen Regiearbeiten, bei denen die Werke kaum wiederzuerkennen sind. Herr Sibelius will sein Publikum umerziehen und ihm sein künstlerisches Verständnis aufdrängen. Wer dem nicht folgt, gehört nicht zu seiner Zielgruppe und kann ausgemustert werden.

Einige seiner "innovativen" Inszenierungen fänden sicher ihre Zuschauer im Off-Theater einer Millionenstadt, können aber auf Dauer nicht die Plätze eines Theaters in der Provinz füllen. Diese Radikalkur des Doktor Sibelius könnte den ohnehin angeschlagenen Patienten Theater Trier im schlimmsten Fall das Leben kosten - ist das vielleicht beabsichtigt?

Zum Schluss möchte ich mir das Anfangszitat von Herrn Sibelius ausleihen und mit einer persönlichen Anmerkung versehen: Es gibt Leute, die will man nicht im Theater haben - schon gar nicht als Intendanten. Als Konsequenz wird das Theater Trier in der nächsten Spielzeit wohl fünf Abonnentinnen weniger haben. Marga Leis, Traben-Trarbach

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