Einfach nur so ...

Finn kam - wie immer - in die Küche gestürmt. Seine Mutter war gerade dabei, den Teig für einen Kuchen auszurollen.


"Möchtest du mir helfen?" fragte sie den kleinen Jungen, der sich wortlos zu ihr an den Tisch gestellt hatte.
"Nö", hieß die kurze Antwort, "ich überlege!" Stille.
"Kann ich dir helfen - beim Überlegen?"
"Hm. Bisschen. Hat jemand Geburtstag? Ich meine, weil du heute einen Kuchen backst."
"Nein, es gibt keinen besonderen Grund dafür. Ganz einfach nur so, weil ich weiß, dass ihr gerne gedeckten Apfelkuchen esst. Opa kommt übrigens auch heute Nachmittag zum Kaffeetrinken."
"Opa? Oh klasse!" Stille. "Ehm - ich wollte dich eben fragen, ob man etwas weiterverschenken darf, was man selbst geschenkt bekommen hat."
"Du meinst, wenn es einem nicht gefällt und er es deswegen loswerden will?" "Nein nein! Ganz anders! Es gefällt mir sogar sehr! Aber ich weiß jemanden, der noch nie so eins gehabt hat. Und der ist schon viel, viel älter als ich."
"Dann darfst du das natürlich weiterverschenken. Es ist ja dein Eigentum," schmunzelte die Mutter ein wenig, weil ihr sofort bewusst war, wer der Beschenkte sein sollte.
Vor wenigen Tagen hatten sie, Finns Papa und die Großeltern, zugesehen, wie er seine Geburtstagsgeschenke ausgepackt hatte. Darunter war auch ein kleiner, rehbrauner Plüschhund mit fröhlichen Knopfaugen.
Finn hatte gestrahlt, ihn gestreichelt und zu seinem Opa gesagt: "Hier, fühl mal, wie weich der ist!" Der hatte ihn behutsam in seine rauen Arbeitshände genommen. "Wie schön der ist!" meinte er leise. "Sowas hatte ich damals nicht. Wenn ich ein Spielzeug haben wollte, musste ich es mir selbst schnitzen. Na ja, es war eine ganz andere Zeit." Er reichte dem Kind den kleinen Schatz zurück. "Ich freue mich mit dir."
Während Finns Mutter sich die kleine Szene noch einmal ins Gedächtnis rief, gab sie die Apfelfüllung auf den Kuchen, legte den Teigdeckel obenauf, bestrich ihn mit Eigelb und stellte ihn in den Backofen.
"Darf ich das heute auch schon verschenken? Einfach nur so? Auch wenn keiner Geburtstag hat?" "Aber sicher!" meinte die Mutter und dachte dabei: "Gerade das macht ein Geschenk noch wertvoller, wenn kein verpflichtender Anlass besteht."
Sie gab ihrem Sohn einen Bogen buntes Papier und ein Röllchen Klebeband. Der Kuchen war fast fertig gebacken, als der kleine Mann seiner Mutter das selbstverpackte Geschenk zeigte. Offensichtlich war diese ungewohnte Arbeit für ihn nicht leicht gewesen. Das bewies die großzügig verteilte Tesamenge rundum.
Am Nachmittag überlegte der überraschte Großvater nur einen Augenblick, ob es sinnvoll wäre, die unerwartete, herzliche Gabe mit ein paar anerkennenden Worten abzulehnen. Aber ganz schnell hatte er sich anders entschieden.
Der sonst so wortkarge Mann nahm sie lächelnd an mit den vielsagenden Worten: "Danke, mein Jung!"

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