Kunst Erstaunt, nicht empört

Zum Artikel „Als Beuys-Schüler Triers Kunstwelt auf den Kopf stellten“ (TV vom 27./28. April) schreibt Waltraud Jammers:

Die Aktion im Städtischen Museum Simeonstift habe ich damals mit meinem Mann besucht. Beuys war uns ja kein Unbekannter, und mancher öffentliche Auftritt hatte 1969 wirklich Relevanz!

Nun also trafen wir im Simeonstift auf eine heitere Gesellschaft von Akteuren und Besuchern. Es lag keine aggressive Stimmung im Raum. Am Eingang waren junge Leute damit beschäftigt, sorgfältig Ziegelsteine aufeinanderzusetzen, der Beginn, eine kleine Mauer zu bauen. Im Inneren schnitt in völliger Ruhe, schweigend, ein Student Brotscheiben von einem Laib und reichte sie den Besuchern. Auf einer Nähmaschine sah ich eine Studentin hochkonzentriert die Puppenkleidchen/Heiligen Röcke nähen. Auf dem Boden des großen Raumes lag ein junger Mann ausgestreckt. Freundlich lächelnd streckte er einen Arm aus und umlegte sich selbst mit  kleinen Blumen. War das eine Begräbnisszene? Über der hintersten rechten Mauerecke desselben Raumes hing eine Plane. Dort wurde gehämmert. Zunächst sah man niemanden, aber schließlich hob sich einmal die Plane, man konnte einen Studenten sehen, der knapp über dem Boden ein Loch in die Wand schlug. Das Publikum reagierte erstaunt, nicht empört. Alle die beschriebenen Tätigkeiten wurden in großer Ruhe und schweigend ausgeführt. Ich kann mich an keine Auseinandersetzung oder an keinen lauten Disput im Publikum entsinnen. Als wir das Museum verließen, war das Mäuerchen am Eingang/Ausgang immerhin schon so hoch, dass wir ein wenig Mühe hatten, darüber zu steigen. Auf einem der Fotos zum Gastbeitrag von Burkhard Freyberg habe ich auch den damaligen Kunstkritiker des Volksfreunds, Dr. Hans-Ludwig Schulte, erkannt; sein lächelndes Gesicht neben Joseph Beuys zeigt genau das, was ich damals erlebt habe.

Waltraud Jammers, Trier

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