Leserbrief Es geht nicht darum, Förderschulen einfach abzuschaffen

Inklusion

Zum Artikel „Förderschüler haben kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ (TV vom 13. Oktober) und zum Leserbrief „Inklusion nicht nur Aufgabe der Schule(TV vom 23./24. Oktober):

Herr Schneider vertritt in seinem Leserbrief den Standpunkt, die UN-Behindertenrechtskonvention erfordere keine Abkehr vom deutschen Sondersystem der Förderschulen. Die Behindertenrechtskonvention geht allerdings davon aus, dass die allgemeine Schule das Bildungsangebot an die vorgefundene Vielfalt der Kinder anpassen muss und nicht das Kind sich an die vorgefundene Schule. Der Slogan „Kein Kind wird zurückgelassen“ muss ergänzt werden durch „Kein Kind wird weggeschickt“. Es geht also nicht darum, Förderschulen einfach abzuschaffen, sondern sie zu überwinden. Das ist die Aufgabe des allgemeinen Schulsystems. Nur so ist das Bildungsangebot hochwertig und inklusiv, wie der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen an die Adresse Deutschlands festgestellt hat.

Mit Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet sich Deutschland als Vertragsstaat nämlich zu zweierlei: Einerseits muss ein hochwertiges inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen geschaffen werden – von der Kita bis zum lebenslangen Lernen. Dazu müssen alle allgemeinen Schulen in die Lage versetzt werden, Kindern mit unterschiedlichsten Lernausgangslagen gerecht zu werden.

Dieser Systemumbau erfordert Zeit, selbst dann, wenn er zielgerichtet und planvoll vorangetrieben wird, wovon bisher leider nicht die Rede sein kann. Es gibt in Deutschland keinen Ort, keine Struktur der Entscheidungsfindung und Prozesssteuerung, die in der Lage wäre, diese große Konversionsaufgabe verbindlich anzugehen. Als Erstes muss also gefordert werden, dass Bund und Länder sich auf eine solche Struktur einigen, unter Beteiligung der Kommunen (als Schulträger und Träger der Sozial- und Jugendhilfe) und aller anderen Akteure. Ziel wäre ein gemeinsamer verbindlicher, mit Zeitlinien versehener und finanzierter Plan mit der Möglichkeit, die Fortschritte im Prozess zu überprüfen. Andererseits muss jedem Kind der Zugang zu einer allgemeinen Schule schon jetzt gewährt werden mit so genannten angemessenen Vorkehrungen.

Die Konvention stellt klar, dass die Verweigerung angemessener Vorkehrungen eine Diskriminierung ist (Artikel 2 und 5). Wenn ein Kind auf eine Förderschule verwiesen wird, weil an der örtlichen Schule die Bedingungen nicht stimmen, dann wird dieses Kind damit diskriminiert.

In Rheinland Pfalz gibt es leider nur eine begrenzte Anzahl von „Plätzen“ an Schwerpunktschulen. Sind diese belegt, werden alle anderen Kinder mit Förderbedarf (die ebenfalls ein Recht auf hochwertige inklusive Bildung haben) auf Förderschulen verwiesen. Hier kommt auch das Land Rheinland Pfalz seinen Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention nicht nach.

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