Lesermeinung Ethisch fragwürdig und rechtlich völlig inakzeptabel

Medizin

 Ein Styropor-Behälter zum Transport von Organen.

Ein Styropor-Behälter zum Transport von Organen.

Foto: dpa/Soeren Stache

Zu unserem Bericht „Wege aus der Organspendenkrise“ (TV vom 29. November):

Die Transplantationsmedizin benötigt lebensfrische Organe. Rechtlich setzt die Entnahme von Herz oder Leber allerdings voraus, dass der Spender tot ist. Nur durch einen Kniff kann dieses Paradox aufgelöst werden, indem man nämlich unter den Bedingungen moderner Intensivmedizin den irreversiblen Ausfall bestimmter Hirnfunktionen als maßgebliches Todeszeichen postuliert und gleichzeitig Herz- und Kreislauffunktionen durch künstliche Beatmung und andere Maßnahmen aufrechterhält. Für die Transplantationsmedizin gilt: Der Hirntod ist der Tod des Menschen. Dass der Hirntod nur ein – wenn auch unumkehrbarer – Zwischenschritt im Sterbeprozess ist, wird dabei negiert.

Nun ist offenbar vielen Menschen die Vorstellung unheimlich, im Sterbeprozess Eingriffe zuzulassen, die am lebenden Menschen als Körperverletzung mit Todesfolge oder sonst strafbar wären, schon deshalb, weil jede medizinische Indikation fehlt. Das Für und Wider abzuwägen, braucht Zeit. Insofern ist der Ansatz von Frau Baerbock (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 25.11.18) nicht ganz falsch, dem Bürger, der zu einer rechtlich verbindlichen Stellungnahme zur Organspende veranlasst werden soll, eine Bedenkfrist einzuräumen.

Ob sich der Staat allerdings ohne den ausdrücklich geäußerten Willen seiner Bürger zum Anwalt von Drittinteressen machen darf, ist noch lange nicht ausgemacht. Eine Pflicht zur Organspende ist schon ethisch fragwürdig und wäre rechtlich völlig inakzeptabel. Es geht schließlich um einen Akt der Solidarität bzw. der Nächstenliebe. Die in Umfragen mehrheitlich geäußerte Bereitschaft hierzu führt nur vergleichsweise selten zum Spenderausweis. Letztlich überwiegen wohl die Vorbehalte.

Deshalb geht die Widerspruchslösung, die der Bundesgesundheitsminister favorisiert, zu weit.

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