Finanzkrise

Zu Berichten über die Euro-Rettung und die Pläne zur Bildung einer Fiskalunion unter Führung von Deutschland und Frankreich:

Die jüngsten Brüsseler Beschlüsse retten den Euro nicht, da hier der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird. Natürlich muss der Staat sparen; entscheidend sind jedoch die Fragen: Wie? Wo? Wann? Die Politik erinnert an die Sparbeschlüsse der 30er Jahre, die die Weltwirtschaftskrise entscheidend beförderten. Da ähnliches verhindert werden soll, werden - schon allein aus europäischer Solidarität erforderlich - Eurobonds kommen, ebenso wie weitere direkte oder indirekte Aufkäufe von Staatsanleihen durch die EZB. Der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes hat schon lange den vorherrschenden neoliberalen Mainstream widerlegt: Wenn die Nachfrage der Privathaushalte, der Unternehmen (kaum Investitionen mangels Nachfrage) und des Auslands (Verschuldung, Sparauflagen) zusammenbricht, kann nur noch der Staat durch "deficit spending" die Wirtschaft ankurbeln (Fiskalpolitik, erster Schritt). Brummt die Wirtschaft wieder, dann muss der Staat - was bisher meist sträflich missachtet wurde - den Staatshaushalt mit fiskalpolitischen Maßnahmen konsolidieren (zweiter Schritt). Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten am meisten vom Euro profitiert. Allerdings wurden unsere Exporterfolge erkauft durch eine der gestiegenen Produktivität in keiner Weise angemessene Niedriglohnpolitik, die unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern verbesserte, jedoch seitens unserer Partner heftige Kritik provozierte. Dass dieses Modell anderen nicht als Vorbild dienen kann, versteht schon Klein-Erna, denn wenn überall gespart wird, bricht überall nicht nur die Binnennachfrage ein (mit entsprechenden sozialen Unruhen im Gefolge, siehe Griechenland und andere), vielmehr kann das Ausland auch bei uns kaum noch einkaufen, was hier Arbeitsplatzverluste nach sich ziehen wird, da unsere bessere wirtschaftliche Lage hauptsächlich auf den Exporterfolgen und nicht auf Binnennachfrage beruht. Eine Fiskalpolitik, die mit Schuldenbremsen, Schuldenverboten und Sanktionen lediglich dem Ziel der Geldwertstabilität dient (Monetarismus), ist Gift für Konjunktur und Sozialstaat, da sie ganze Volkswirtschaften erwürgt. Gefragt ist vielmehr eine europäische Fiskalpolitik, die in Euro-Land gemeinsame Mindeststandards bei Steuern und Sozialleistungen garantiert und somit ein Sozialdumping (Abwärtsspirale) verhindert. Gefragt ist vor allem eine Demokratisierung der europäischen Institutionen statt einer bürgerfernen Kabinettspolitik à la "Merkozy". Norbert Bogerts, Welschbillig

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