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Margarete Welle schreibt: Liebe Redakteure! Ich bin schon lange eine brave Leserin Ihrer Zeitung und habe schon manche Umstellungen und Layout-Veränderungen akzeptiert. Im Laufe der Jahre sind leider die wichtigen Informationen über Welt, Wirtschaft und Hintergrundwissen immer weniger geworden, dafür Bild-Zeitungs-Wissen immer mehr.

Da ich aber immer noch gerne Zeitung lese und auch örtliches Geschehen nicht nur aus dem Wochenspiegel entnehmen will, blieb ich denn beim Abo. Aber eine zweiseitige Finerio-Sonderseite im überregionalen Teil des Volksfreunds ist fast ein Grund, um Ihre Zeitung abzubestellen. Im regionalen Teil wäre es gerade noch akzeptabel, besser noch kurz vor oder nach den Todesanzeigen. Es gäbe für den ersten Teil der Zeitung wirklich derzeit wichtigere Themen. Sollten Sie irgendwann einmal täglich eine regionale Zeitung auflegen, bin ich gerne bereit, diese zu bestellen, um dann Wissenswertes aus aller Welt aus anderen (Zeitungs)quellen zu beziehen. Liebe Frau Welle, vielen Dank für Ihre Zuschrift. Dazu einige Anmerkungen: Ohne Anzeigen geht es nicht, weil … … die Mehrheit der Leser sie gut findet. "Für mehr als die Hälfte der Deutschen (53 Prozent) ist Zeitungswerbung die wichtigste Quelle für Angebote des Handels", heißt es in einer Studie. "67 Prozent würden Anzeigen und Beilagen in der Zeitung vermissen, wenn es sie nicht mehr gäbe." (Quelle: ZMG-Bevölkerungsumfrage 2012) … die Zeitung ohne Werbung zwei- bis dreimal so teuer wäre. Anzeigen und Redaktion sind streng voneinander abgegrenzt. Eine eherne Regel. Die Werbung ist bezahlt ("gekauft"), die Redaktion unabhängig ("nicht käuflich"). Dennoch: Im übertragenen Sinne subventionieren die Werbekunden das Papier und den Druck, die Redaktion, den Vertrieb, letztlich die Leser. … der Gesamtumfang des Produkts davon abhängt. Faustregel: mindestens zwei Drittel redaktionelle Inhalte, höchstens ein Drittel Anzeigen. Volle Auslastung = 32 Seiten (samstags mehr), geringere Auslastung = 28 Seiten, ganz selten 24 Seiten. Es gilt, die Werbung möglichst elegant übers Blatt zu verteilen. Eine drucktechnische Besonderheit: Doppelseiten im Panorama-Format lassen sich nur an wenigen Stellen platzieren, nämlich mitten in einem Buch (so nennen wir die Segmente der Zeitung). Vier Bücher = vier Positionen. Bei starker Buchung bleibt manchmal keine andere Lösung, als die doppelseitigen Anzeigen vorne unterzubringen. Der Trierische Volksfreund ist (!) eine regionale Tageszeitung, die starre Trennung in einen regionalen und einen überregionalen Teil, wie sie im letzten Jahrhundert üblich war, längst perdu. Wir berichten, was relevant ist. Und orientieren uns dabei am größten gemeinsamen Nenner: den lokalen und regionalen Nachrichten, die mehr als 90 Prozent der Leser für unverzichtbar halten. Das, was unmittelbar vor der Haustür geschieht. Themen, über die man in Trier, in der Eifel, im Hunsrück und an der Mosel spricht. Informationen, die Sie sonst nirgendwo bekommen. Das Ergebnis: Auf der Titelseite und im ersten Buch stehen die besten regionalen Geschichten, ergänzt um die wichtigsten Neuigkeiten aus Deutschland, Europa und der Welt. Die Lokalteile (zweites Buch) sind ohnehin ganz nahe bei den Lesern, der Sport (drittes Buch) und die Kultur (viertes Buch) auf das Geschehen vor Ort konzentriert. Und sogar auf der Welt-Seite (= Synonym für Vermischtes) finden Sie öfters Meldungen und Berichte mit lokalem Touch. Die Mischung macht\'s. Die einen interessieren sich für Politik, die anderen für Oper, wieder andere für Fußball, für die Schönen, Reichen und Berühmten, für die Lotto-Zahlen, für Sonderangebote, für Trauer-Anzeigen. Immer wieder ertönen Rufe: Mehr Politik! Mehr Oper! Mehr Fußball! Mehr dies! Mehr das! Ein Ding der Unmöglichkeit. Die Informationsflut ist chaotisch, nur ein Bruchteil der Nachrichten, die um den Globus rasen, "passt" in die Zeitung. Aufgabe der Redaktion: sortieren, aufbereiten, deuten. Früher war mehr Lametta? Hmm, dieser Eindruck täuscht. Der Volksfreund bietet mehr Regionales und Lokales denn je und zugleich mehr erklärende, einordnende Hintergründe und Analysen zu den nationalen und internationalen Topthemen. Sie verpassen nichts von Bedeutung. Im Gegenzug haben wir die Zahl der "nackten Nachrichten" etwas zurückgefahren (die viele Leser bereits aus Fernsehen, Radio, Internet kennen). Ich weiß nicht genau, was Sie, liebe Frau Welle, mit "Bild-Zeitungs-Wissen" meinen. Ein Merksatz von Medienmachern lautet jedenfalls: Give the people what they want! (Gib den Leuten, was sie wollen!) Heutzutage weiß man genauer als dazumal, welche Themen, welche Texte von den Lesern angenommen werden und welche nicht. Und das sind nicht unbedingt immer hochgeistige Ergüsse … Oscar Wilde, der große Dichter (1854-1900), urteilte messerscharf: "Die Öffentlichkeit hat eine unstillbare Neugier, alles zu wissen, nur nicht das Wissenswerte. Der Journalismus, dessen bewusst, erfüllt in seinem wachen Geschäftssinn dieses Verlangen. In früheren Jahrhunderten nagelte man die Ohren von Journalisten an Pumpen. Das war ziemlich scheußlich. In diesem Jahrhundert haben die Journalisten ihre eigenen Ohren an die Schlüssellöcher genagelt. Das ist viel schlimmer." Herzliche Grüße! Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur Lob, Kritik, Anregungen? E-Mail: forum@volksfreund.de Mehr Kolumnen im Internet: http://forum.blog.volksfreund.de

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