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Eine Anekdote, erzählt von Herrn W. R.

: Bitte nennen Sie meinen Namen nicht, ich schäme mich ein bisschen. Es ist schon eine Weile her, als ich mit meinem Enkel zum ersten Mal beim Basketball war. Ein Bundesliga-Spiel in Trier. Höllenlärm in der Halle, Musik, Lautsprecherdurchsagen, Anfeuerungsgesänge, rasantes Spiel. Wirklich beeindruckend und für mich alten Fußballer eine ganz neue Erfahrung. Aber was schreien die bei jedem Angriff der gegnerischen Mannschaft? Ich höre immer nur: "die Fans". Opa, sagt mein Enkel, das klingt zwar so, heißt aber "Defense" und bedeutet Verteidigung, Abwehr. Weiß man doch. Au weia, war ich blamiert! Warum geht das denn nicht auf Deutsch? Mir fällt auf, dass die Basketball-Berichte in der Zeitung auch immer voll sind mit englischen Wörtern. Können Sie das nicht übersetzen? Lieber Herr R., das ist eine interessante Frage. Unsere Reporter versuchen so zu schreiben, dass es jeder Leser versteht. Also: keine Wörter verwenden, die niemand kennt, und Fachchinesisch, das sich nicht vermeiden lässt, in die Alltagssprache übertragen. Ein Ziel, das längst nicht immer erreicht wird - trotz bester Absichten. Warum? Bleiben wir beim Beispiel Basketball: Die Sportart kommt aus den Vereinigten Staaten, ist durch und durch amerikanisch geprägt, überall auf der Welt. Die Spieler verständigen sich auf Englisch, und es gibt eine Reihe von Vokabeln aus dem Mutterland des Basketballsports, die Finessen der Technik, der Taktik, der Theorie beschreiben - für die treffgenaue Entsprechungen im Deutschen fehlen. Lücken im Wortschatz, ganz offenkundig. Es fängt an mit Basketball = Korbball, was hierzulande ein ähnliches, aber nicht dasselbe Ballspiel meint. Die typische Aufstellung einer Mannschaft in wörtlicher Übersetzung: Point Guard (= hinweisender, zeigender Wächter), Shooting Guard (= schießender Wächter), Small Forward (= kleiner Vorwärts), Power Forward (= mächtiger Vorwärts), Center (das Zentrum). Vom Swingman (kann als kleiner Vorwärts oder schießender Wächter agieren) oder dem Tweener (= irgendetwas dazwischen) ganz zu schweigen. Selten so gelacht! Über jeden Journalisten, der an derlei dilettantischen Dolmetsch-Versuchen werkelte, würde sich kübelweise Hohn und Spott ergießen. Deutsche Wörter wie Aufbauspieler, Flügelspieler oder Brettspieler taugen nicht, um alle Raffinessen des Basketballsports zu erfassen oder statistische Feinheiten eines Spiels, einer Saison, einer Spielerkarriere zu analysieren; daher wird oft mit den Originalbegriffen gearbeitet. Assist, Block, Rebound, Steal, Dunking, Double-Double, MVP, Play-off, Rookie und so weiter. Faustregel für Berichterstatter: immer an den Leser denken; Texte nicht mit denglischem Gemeng zupflastern; Fachjargon dosiert und im Ideal fall selbst erklärend einsetzen, im Zweifel übersetzen. Aber bitte nicht ins Lächerliche treiben oder deutschtümeln um jeden Preis! Vor dem kleinen Vorwärts, dem schießenden Wächter und dem dazwischen sei gewarnt ... Sportliche Grüße! Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur E-Mail: forum@volksfreund.deDie Kolumnen im Internet: http://forum.blog.volksfreund.de

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