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Ein Klassiker aus der Leserpost: Immer mehr Fremdwörter in der Zeitung, was soll das? Und all diese Anglizismen! Liebe Leser, es stimmt, die Zeitung ist voll von Fremdwörtern. Das ist nicht verwunderlich, besteht unsere Sprache doch zu großen Teilen aus Fremdwörtern! Wörter, die im Lauf der Jahrtausende zum Beispiel aus dem Lateinischen, Französischen oder Englischen stibitzt, zurechtklabastert und, nun ja, irgendwie germanisiert worden sind.

Oft merken wir das gar nicht mehr. Die Pistazie ist aus dem Mittelpersischen zu uns gelangt, die Kartoffel aus dem Italienischen, der Kakao aus dem aztekischen Nahuatl-Dialekt, der Anorak aus dem Inuktitut, das Paradies aus dem Altiranischen. Umgekehrt wandern deutsche Wörter aus. Sauerkraut, Kindergarten oder Weltschmerz sind Briten und Amerikanern geläufig, über La Mannschaft (unsere Fußball-Weltmeister) parlieren Franzosen, zunehmend auch Araber und Russen (ohne La). Sprachen verändern sich; die Sprachnutzer, wir alle, produzieren ständig neue Wörter. Manche frei erfunden, manche weiterentwickelt aus dem Vorrat, manche aus der Fremde entlehnt. Alles ganz normal. In der Kommunikation kommt es auf Verständlichkeit an. Für wen schreibe ich? Wer liest meine Texte? Wenn in einer Zeitschrift, die sich an Physiker richtet, von der Heisenbergschen Unschärferelation, der Baryonenasymmetrie oder dem Higgs-Boson die Rede ist, braucht es keine Erklärung. Die Spezialisten wissen Bescheid. Wird davon in einer Tageszeitung erzählt, gilt es, den Wissenschaftsjargon zu übersetzen - oder die allermeisten Leser steigen aus. Wörter entstehen, Wörter vergehen. Neulich fand ich im Volksfreund einen Dreikäsehoch. Ein Kind also, das so groß (besser: klein) ist wie drei gestapelte Käselaibe. Oder, andere Theorie, wie drei Kisten (französisch caisse). Ein altes Wort, das ältere Leser kennen. Vor ein paar Jahren ist es zum drittschönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache gewählt worden. Es verschwindet allmählich. Nicht zuletzt, weil die Kids oder Kiddies (wie Kinder denglisch-grauslich auch in dieser Zeitung genannt werden) es nicht verstehen. Herzliche Grüße! Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur E-Mail: forum@volksfreund.de Mehr Kolumnen im Internet: <%LINK auto="true" href="http://forum.blog.volksfreund.de" class="more" text="forum.blog.volksfreund.de"%>

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