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Meinung Liebe Wutbürger … Herr J. schreibt: Der TV ist zu feige, über politische Missstände, die allgemein bekannt sind, zu berichten.

Er ist zahnlos und träge, er legt sich mit der örtlichen Prominenz ins Bett. […] Ein Leser wettert anonym: Seit Jahrzehnten lese ich Ihre Zeitung. Leider bin ich dazu gezwungen, da es keine Alternative in unserer Region gibt. Der politische Teil Ihrer Ausgaben spielt für mich kaum noch eine Rolle, da es keine objektive Betrachtung mehr gibt. Anstatt die Menschen lückenlos aufzuklären, verhalten sich die Medien opportun in Ihrer politischen Weltanschauung und nutzen die gravierende Dummheit des Volkes aus, um Ihre Ziele durchzusetzen, nämlich Wahlen zu beeinflussen. […] Der Absender tut nichts zur Sache. Sie kennen mich nicht. Auf eine Rückantwort verzichte ich, weil ich den Inhalt schon kenne. Frau W. meint: Der Volksfreund ist dafür bekannt, dass er nicht pro-christlich eingestellt ist. Außerdem hat man den Eindruck, er sei ein SPD-Parteiorgan. Wenn es eine andere Regionalzeitung hier gäbe, hätten wir den TV schon längst abbestellt. [...] Liebe Wutbürger, vielen Dank für Ihre Briefe. Doch, doch, das meine ich ernst. Lassen Sie es raus! Es tut gut, sich den Frust von der Seele zu schreiben! Und es ist statthaft, wenn Sie uns "Schmierfinken", "Fabulanten" und "penetranten Lohnschreibern" (Ehrentitel aus anderen Zuschriften) klarmachen, was alles im Argen liegt in dieser Zeitung. Nur in dieser? Nein! Es ist beim Volksfreund wie bei der Frankfurter Allgemeinen oder beim Spiegel: Journalisten teilen aus, Journalisten stecken ein. Das gehört zum Job. Ebenso wie die wiederkehrenden Vorwürfe: Mal heißt es, das Blatt sei links, mal heißt es, es sei rechts. Mal heißt es, es sei kirchenfeindlich, mal heißt es, es sei ein Sprachrohr des Bischofs. Und ab und zu belehren Sie uns, dass es "so etwas" früher nicht gegeben hätte. Ich halte aus Überzeugung dagegen: Der Volksfreund ist unabhängig und überparteilich und beweist es Tag für Tag. Das Thema haben wir ja schon öfters verhandelt. Ich will Sie nicht langweilen und die ewig gleichen Argumente wälzen. Stattdessen biete ich diesmal einen Kronzeugen auf: Kurt Kister, Chefredakteur der angesehenen Süddeutschen Zeitung. Der plauderte kürzlich unter der Überschrift "Liebe deinen Leser" aus dem Nähkästchen - und es klingt sooo vertraut: "Als Journalist, zumal als einseitiger Hetzkampagnenschreiber oder neoliberaler Verlegerknecht (das ist jetzt Ironie!) wird man immer wieder mit unerbittlichen Kritikern konfrontiert. Da sind zum Beispiel jene, die seit dreißig Jahren die Zeitung lesen, die damals viel besser war. Sagen sie jedenfalls. Nun hat man selbst das Gefühl, dass fast alles vor dreißig Jahren besser war: der Bundeskanzler, die eigene Jeansgröße, das Wetter und sogar der FC Bayern. Und dann gibt es Leser, die den Linksdrall der Zeitung beklagen, wohingegen andere, auch nicht wenige, bemängeln, dass die Zeitung doch zu deutlich nach rechts gerückt sei. […] Allerdings […] gibt es Gruppen, die entweder viel Zeitung lesen und/oder besonders meinungsstark sowie mitteilungsfreudig sind. Neben den Pädagogen sind dies die Ärzte ("...ist Ihre ärztefeindliche Berichterstattung eine Frechheit") sowie, wen wundert es, die Juristen im weiteren Sinne ("wenn ich meine Urteile so begründen würde wie Sie Ihre Schluder-Kommentare..."). Nun liebt man als Redakteur nahezu jeden einzelnen Leser, selbst wenn er einen gröblichst beleidigt. […] Hin und wieder braucht der weltsicherste Großmeinungsbär eins mit dem rhythm stick übergebraten. Wie gut, dass es all die Lehrerluschen, Richter a.D. und Internisten unter den Zeitungslesern gibt." Herzliche Grüße! Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur Lob, Kritik, Anregungen? E-Mail: forum@volksfreund.de Internet: http://forum.blog. volksfreund.de

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