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Hans-Albert Krämer aus Trier schreibt: Als Realist und Pragmatiker bin ich geneigt, unsere Politiker und Wirtschaftsbosse als Fantasten zu bezeichnen. Die Zahlen, die täglich durch die Medien geistern, erschließen sich mir nicht.

Deshalb bin ich zum Umrechner geworden und stelle mir die Frage: Wäre das auch zu Zeiten der D-Mark passiert? Die Verschwendung von Steuergeldern: Nürburgring, Elbphilharmonie, Flughafen Berlin ... Der Skandal um die Rente: Wer 35 Jahre lang einzahlt, erreicht nur die Grundsicherung - bei einem Bruttogehalt von 2500 Euro, umgerechnet 5000 Mark! Wer hat damals so viel verdient und ist als Rentner doch nur knapp über der Armutsgrenze gelandet? Für mich unvorstellbar! Wären wir bei der D-Mark geblieben, gäbe es viele Probleme nicht. Von Millionen redet heute niemand mehr, es geht immer gleich um Milliarden, bei der Staatsverschuldung sogar um Billionen. Sind wir etwa in eine psychologische Falle getappt, als wir die D-Mark gegen den Euro getauscht haben? Erkennen wir den Wert des Geldes nicht mehr? Oder ganz einfach gefragt: Dürfen wir nicht mehr so denken wie ich und umrechnen? Manchmal wäre es besser, wenn in der Zeitung nur noch Prozentzahlen genannt würden, dann fiele man nicht so leicht in Ohnmacht. Lieber Herr Krämer, vielen Dank für Ihren Brief. Ja, ich verstehe Sie: Es kann einem manchmal schwindlig werden angesichts ... ... der Dauerberieselung mit Nachrichten über die Trübnis in der Finanzwelt; ... der ewigen Meldungen über Schuldenberge höher als der Everest und Fiskalklippen steiler als die Eiger Nordwand; ... der irrsinnigen Summen, die Tag für Tag in den Medien verhandelt werden. Ob es uns Deutschen mit der D-Mark besser ginge? Über diese Frage lässt sich trefflich streiten; seriös beantworten kann sie niemand. Das wäre Spökenkiekerei. Und es ist müßig, zu spekulieren: Keiner dreht die Zeit zurück und ändert die Vergangenheit! Gegenfrage: Geht es uns denn schlecht? Hey, wir haben bald fünf Billionen Euro auf der hohen Kante! Eine Fünf mit zwölf Nullen. Fünf null null null null null null null null null null null null. Privatvermögen! Macht 60 000 Euro pro Nase. Vom Baby bis zum Greis. Wir sind reich, unvorstellbar reich! Statistisch ... Kein Grund zum Jammern. Warum aber nörgeln, meckern, schimpfen bloß alle, dass es nur so kracht? Vermutlich, weil kaum ein Normalmensch den Zahlenwust, den uns Politiker, Lobbyisten, Finanzjongleure pausenlos um die Ohren hauen, zu entflechten vermag. Ein Spiel mit Millionen und Milliarden, dessen Regeln nur Eingeweihte beherrschen - Opium fürs Volk? Gute Journalisten entwirren die Knoten, deuten die Fakten, dröseln die Zusammenhänge auf und erklären, was es bedeutet. Gelingt nicht immer. Leider. Es ist halt mühsam, die Zahlenmonster zu bändigen und in anschaulicher Sprache zu bannen. Diese fantastische Fünf mit den zwölf Zerquetschten etwa; wie viele Badewannen kann man mit fünf Billionen füllen, in Ein-Euro-Münzen? Mit Statistik lässt sich alles beweisen. Und das Gegenteil. Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer, sagt die Bundesregierung. Wer ist reich, wer ist arm? Eine gängige, wenngleich umstrittene Definition liefert die Europäische Union. Demnach ist arm, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient. In Deutschland: 950 Euro netto im Monat (Single), 2000 Euro (Familie mit zwei Kindern). In Luxemburg liegt die Armutsgrenze bei 2850 Euro, in Rumänien bei 110 Euro. Wer das vergleicht, tut sich vermutlich schwer, Äpfel von Birnen zu unterscheiden. Als reich gilt, wer mindestens das Doppelte des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. In Deutschland: 3200 Euro (Sing le), 6700 Euro (Familie). Die einen messen Einkommen, die anderen Vermögen. Die einen legen die Messlatte bei 50 000 Euro im Jahr an, die anderen bei drei Millionen. Die einen zählen Geld, die anderen auch Häuser oder Schmuck. Merke: Ein Millionär und ein armer Schlucker besitzen im Schnitt je eine halbe Million... Der großartige Kabarettist Volker Pispers entlarvt das Zahlengedöns als ganz normalen Wahnsinn: "Kein Mensch kennt die Zukunft, nur die Statistiker. Die glauben, sie könnten den Ist-Zustand hochrechnen auf die Zukunft. Der Statistiker beobachtet Sie zwei Stunden, sieht, dass Sie einen Teller Suppe essen; dann geht der Statistiker hin und rechnet aus, wie viel Suppe Sie statistisch im ganzen Leben noch essen werden. Dass Sie, wenn der weggegangen ist, sagen, bäh, Suppe esse ich nie wieder, die schmeckt furchtbar, kriegt der nicht mehr mit. Die Regierung hat dann schon die ganze Suppe bestellt - die Sie persönlich auslöffeln müssen." Herzliche Grüße! Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur E-Mail: forum@volksfreund.deDie Kolumnen im Internet: http://forum.blog.volksfreund.de

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