Für schlappe zwei Millionen Euro pro Jahr ...

Zum Artikel "Jährliche Zusatzrente für Contergan-Opfer" (TV vom 15. Mai):

Am 14. Mai haben die deutschen gesetzgebenden Organe mal wieder den Beweis erbracht, dass es ihnen offenbar nicht möglich ist, auf Lobbyisten einzuwirken, obwohl eine geschädigte Minderheit seit 50 Jahren auf Recht und Hilfe wartet.

Das Pharmaunternehmen Grünenthal hat zwischen 1957 und 1961 das Schlafmittel Contergan verkauft. Durch verharmlosende Werbeaussagen wurde über weltweit etwa 10 000 missgebildete Kinder und deren Familien Verzweiflung und lebenslanges Leid gebracht. Dazu bedurfte es nicht etwa eines Medikamenten-Missbrauchs, sondern in vielen Fällen war nachweislich schon eine Dosis zu viel. Heute leben allein in Deutschland noch rund 2800 körperlich geschädigte, zum Teil seelisch traumatisierte Contergan-Opfer. Die Verursacher haben bis heute weder eine Schuld eingestanden, noch wurden sie verurteilt oder zum Schadensersatz verpflichtet.

Seit diesem Jahr erhalten nach dem Willen der breiten Mehrheit unseres Parlaments die Opfer dieses Skandals je nach der Schwere ihrer körperlichen Behinderung über einen Zeitraum von 25 Jahren bis zu 4000 Euro jährlich zu ihrer bisherigen Entschädigungszahlung. Mit 1090 Euro pro Monat ist diese im Herkunftsland von Contergan übrigens die niedrigste weltweit. Für die nächsten 25 Jahre wird eine Summe von 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die zu 50 Prozent aus Mitteln der Contergan-Stiftung des Bundes und zu 50 Prozent von der Firma Grünenthal getragen werden.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Geld aus der Stiftung sowieso schon den Geschädigten gehört, da es dort seit Anfang der 70er Jahre treuhänderisch verwaltet wird.

Zudem sollen sie trotz ihrer seit Jahrzehnten nachgewiesenen Behinderungen eine erneute medizinische Begutachtung über sich ergehen lassen.

Die Firma Grünenthal darf sich nun per Gesetz mal wieder für 25 Jahre zum Preis von schlappen zwei Millionen Euro pro Jahr aus der Verantwortung stehlen und die von uns gewählten Volksvertreter finden das im Namen und zum Wohle des Volkes so in Ordnung.

Da stellt sich mir, wie schon so oft, die Frage: Denken die im Parlament überhaupt nach, bevor sie in unserem Namen die Hand heben?

Werner Stenzborn, Tawern

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