Politik Geduld und Verständnis

Zur Berichterstattung über die Entwicklungen in Großbritannien und den Brexit schreibt Peter Oldfield:

Die in diesem Jahr gegründete Brexit-Partei konnte bei der Europawahl im Mai 30 Prozent der Stimmen erringen und schickt damit 29 Abgeordnete nach Brüssel (genauso viele wie Angela Merkels CDU samt CSU).

Sie zwingt Boris Johnsons Konservative, radikaler zu werden, in der Brexit-Frage wie auch in der Sozialpolitik, um das tief gespaltene Land mit der Zeit wieder zu einen.

Jeremy Corbyns derzeit oppositionelle Labour-Partei wird behördlicherseits wegen des Verdachts des institutionellen Antisemitismus untersucht. In ihrem Wahlprogramm verspricht sie unter anderem die Vier-Tage-Woche für alle, die Übertragung von Firmenaktien an die Beschäftigten und die Verstaatlichung von großen Unternehmen.

Der Brexit ist nicht etwa der Tag des möglichen Austritts, sondern ein länger dauernder Prozess der Identitätsfindung für die Briten. Es geht darum, wie sie regiert werden wollen, auch inner- oder außerhalb der EU.

Großbritanniens Freunde auf dem Festland werden etwas Geduld und Verständnis aufbringen müssen.

Das wird ihnen sicherlich nicht schwerfallen, da sie alle in Erinnerung haben, wie sie selber im 20. Jahrhundert noch erheblichere Verwerfungen durchgemacht haben.

Diese Verwerfungen haben in manchen Fällen nur das eine Land betroffen; in anderen Fällen haben sie den ganzen Kontinent in Mitleidenschaft gezogen. Während dieser Zeit war Großbritannien zum Glück eine Insel der Stabilität und der Demokratie.

Es hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückgezogen, sondern als Juniorpartner mit den Amerikanern die Verteidigung Westeuropas zur eigenen Sache gemacht und tut dieses auch heute für ganz Europa im Rahmen der Nato.

Wir müssen also nicht nur für die Briten, sondern für ganz Europa sehr gespannt sein, wie die Wahl zum Unterhaus – voraussichtlich am 12. Dezember – ausgehen wird.

Peter Oldfield, Mertesdorf

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