Gesellschaft

Zum Kommentar "Viel zu große Schuhe" (TV vom 9. November) und zu den Leserbriefen zur Sterbehilfe-Debatte (TV vom 11. November):

Ich widerspreche Werner Kolhoffs positivem Urteil über den Bundestagsbeschluss aufs Entschiedenste. Der Beschluss ist ein herber Rückschlag. Der dem Mehrheitsvotum zugrundeliegende Vorschlag ist nicht nur handwerklich mangelhaft (Brigitte Zypries hat dies in der Debatte dargelegt), er macht auch das Wenige an Liberalität, das bisher in Deutschland beim Sterbehilferecht erreicht worden ist, auf einen Schlag zunichte. Die Selbstbestimmung über den eigenen Tod konstituiert Menschenwürde im ureigensten Kern. Es gibt ein Recht auf Leben (keine Pflicht!), es gibt aber auch das Recht auf den eigenen Tod. Und wenn ein Mensch, insbesondere ein unheilbar Erkrankter, in freier Entscheidung um assistierten Suizid bittet, steht es dem Staat nicht an, diejenigen, die helfen, zu kriminalisieren. Genau das aber ist die Folge des Mehrheitsbeschlusses. Ärzte, die aus Erfahrung und Menschenliebe der Sterbehilfe nahestehen, sehen sich in Zukunft weitreichenden Sanktionen gegenüber. Man komme nicht mit dem geradezu mechanisch vorgebrachten Verweis auf einen Dammbruch, der da drohe, wenn man nicht rechtlich schweres Geschütz auffahre. Er ist grob irreführend und ärgerlich, widerspricht er doch jeglicher empirischer Evidenz in Ländern, die sich für einen liberalen, die Selbstbestimmung des Menschen ernst nehmenden Rechtsrahmen entschieden haben. Ja, eine umfassend ausgebaute Palliativversorgung ist unverzichtbar. Sie ist jedoch - wie häufig insinuiert - kein Ersatz für ein liberales Sterbehilferecht. Beides wird gebraucht. Der Mehrheitsbeschluss geht leider in die entgegengesetzte Richtung. Es macht traurig, dass in Zukunft Sterbenskranke, die sich für den selbstbestimmten Tod entschieden haben, Hilfe nur im Ausland erhalten - so sie sich dorthin zu begeben vermögen. Das hat etwas sehr Unbarmherziges. Bitter, sehr bitter. Joachim Recktenwald, Trier Einige Beiträge haben mich verwundert, die Leserbriefe von Frau Langenbach und Frau Wagner jedoch empört. Als Niederländer, wohnend in Deutschland, wird bei mir der Eindruck erweckt, dass sie keine Ahnung von Euthanasie haben. Aktive Sterbehilfe ist nicht beschränkt auf alte und arme Menschen. Es ist beschämend, dass nur reiche Menschen die Möglichkeit haben, auszuwandern in Länder, wo sie menschenwürdig sterben können. Die Argumente von evangelischer und katholischer Seite betrachte ich als unbegründet und sehr aufdringlich. Wir leben in einer Demokratie und nicht in einer Theokratie. Frau Langenbach schreibt, dass in den Niederlanden Menschen ohne Einverständnis getötet werden. Das stimmt nicht. Viele Niederländer haben Patientenverfügungen oder treffen im Krankenbett die Entscheidung. Es gibt Menschen, die aktive Sterbehilfe im Familienkreis einer palliativen (Miss)Behandlung vorziehen, vermutlich, weil sie wissen, dass hospizliche Begleitung versagen kann! Zum Schluss, Frau Wagner: Ich habe Verständnis, wenn jemand aus persönlichen oder religiösen Motiven nicht einverstanden ist mit Sterbehilfe. Aber Ärzte als Mörder zu bezeichnen, ist nicht akzeptabel. Jurrien Mak, Bleialf

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